Jul 232014
 

Von Sophie Scholz

Sollten wir uns eine Facebookseite zulegen? Was müssen wir beachten, wenn wir einen Twitter-Account starten?

Das sind Fragen die sich viele Initiativen, Organisationen und Verbände im Bereich Nachhaltigkeit stellen. Sie entstehen aus einem wahrgenommenen Handlungsdruck, der von außen an die Organisation herangetragen wird, oder auch aus dem Inneren von Initiativen formuliert wird. Die Verantwortlichen sind jedoch oftmals im Unklaren, welchen Mehrwert sie durch eine Präsenz in den sozialen Medien gewinnen und ob es sich nicht vielleicht sowieso eher um einen Hype handelt.

Simple Tools für individuelle Bedürfnisse
Der mögliche Mehrwert wird deutlich, wenn man die Frage nach einem Social Media Einsatz weniger aus Perspektive der einzusetzenden Techniken (Facebook & Co.) stellt, sondern den tatsächlich in der Organisation vorhandenen Bedarf formuliert. Der Bedarf könnte lauten: „Wir brauchen mehr Freiwillige“, „Wir wollen unsere Arbeit für unsere Mitglieder transparenter machen“, „Wir wollen unsere interne Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen effizienter organisieren“, oder „Wir wollen unseren Freiwilligen stärkere Partizipationsmöglichkeiten einräumen.“

Für jede dieser formulierten Herausforderungen bieten die sozialen Medien eine Vielzahl von Tools an. Das Spektrum reicht von Online-Fundraising-Tools bis hin zu Services, die Gruppen ermöglichen gemeinsam an Dokumenten zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen, oder Kommunikationskanäle, die eine dauerhaften niedrigschwellige Kommunikation mit der eigenen Zielgruppe erlauben. Ziel einer Organisation sollte es sein, simple Tools zu finden, die den individuellen Bedürfnissen entsprechen.

Socialbar – ein Ort des Austausches und des Lernens
Die neuen Medien stellen große und kleine Institutionen im Nachhaltigkeitsbereich hinsichtlich Organisationskultur vor große Herausforderungen: Partizipation, Transparenz, neue Organisationsstrukturen und neue Formen des Online-Engagements gehen mit einer ernsthaften Nutzung einher. Entsprechend großer Bedarf besteht, sich
über erste Erfahrungen mit der Nutzung der sozialen Medien auszutauschen, von einander zu lernen und sich fortzubilden. Um diesen Austausch zu ermöglichen, wurde 2008 in Berlin die „Socialbar“ mit dem Ziel gegründet, Akteure an der Schnittstelle Zivilgesellschaft und Social Media regelmäßig zusammen zu bringen.

Was ist eine Socialbar?
Eine Socialbar ist eine regelmäßig stattfindene offene Abendveranstaltung, welche den Teilnehmern Weiterbildung, Erfahrungsaustausch, Kennenlernen, Knüpfen von Kontakten und den Aufbau neuer Kooperationen und Initiativen ermöglicht. Die Socialbar gibt es inzwischen in 20 Städten in Deutschland. Sie wird mit hohem persönlichem Engagement ehrenamtlich von Privatpersonen organisiert. Bei den Socialbar Abendveranstaltungen treffen Weltverbesserer auf Webexpertinnen. Online-Campaigner oder z.B. Online-Fundraiser berichten von ihren Erfolgen
und auch Fehlern. Mitarbeiter von Vereinen oder Initiativen bringen ihre Fragen mit und lernen voneinander und den eingeladenen Expertinnen und Experten. Die Socialbar wird so zu einem neutralen Ort des vertrauensvollen Austausches zwischen zivilgesellschaftlichen Initiativen, einem Ort der gegenseitigen Hilfe und Kooperation.

Nutzung von Social Media in der dezentralen Organisationsstruktur der Socialbar
Was die Socialbar über die sinnvolle Nutzung von Social Media lehrt, versuchen die Organisatorinnen und Organisatoren lokal auch selber umzusetzen. Verwendet werden eine Vielzahl von Social Media Tools: Video- und Fotoplattformen, lokale Facebookseiten oder Twitteraccounts. An zentraler Stelle der gemeinsamen Organisation
steht aber das Wiki, was als gemeinsame Homepage dient. Der Mehrwert des Wikis für die dezentrale  Organisationsstruktur der Socialbar ist, dass ohne lange Abstimmungsprozesse oder Kontrolle die lokalen Organisatoren ihre Inhalte selber einstellen und pflegen können. Eine zentrale Verwaltung der Homepage wäre aus Ressourcengründen nicht möglich und wird auf ein Minimum von Monitoring reduziert.

Jedes lokale Team kann selbstständig über das Wiki Veranstaltungen ankündigen, dokumentieren und archivieren. Eine aktuelle Übersicht demnächst stattfindener Veranstaltungen findet sich direkt auf der Startseite. Die Teilnehmer der Socialbars können sich auf den jeweiligen Veranstaltungsseiten einer Socialbar selber eintragen und so ihre  Teilnahme an der Veranstaltung ankündigen.

Im Wiki findet sich auch ein „Do-it-yourself-Kit“ mit Anweisungen, wie eine Socialbar gegründet und organisiert werden kann. Diese Dokumente werden in gemeinsamer Arbeit weiterentwickelt. Das Wiki dient so als gemeinsame Wissensdatenbank und als Verwaltungstool für die lokalen Veranstaltungen. Angst davor, dass dieses offene Werkzeug vielleicht missbraucht oder zerstört wird, ist unbegründet: in den letzten dreieinhalb Jahren gab es nur harmlose Spamattacken, aber keine mutwillige Zerstörung.

Bisherige Erfahrungen in der Organisation der Socialbar zeigen vielmehr, dass erst durch das Öffnen von Strukturen (wie z.B. dem Wiki) ein riesiger Mehrwert für die Organisation entsteht. Ähnlich verhält es sich mit dem Grundsatz der Socialbar: „Das Konzept der Socialbar darf weiterverwendet werden. Die Organisation einer Socialbar-Veranstaltung in anderen Städten ist ausdrücklich erlaubt.“ Erst diese Herangehensweise hat ermöglicht, dass aus einer einzelnen Initiative in Berlin, ein deutschlandweites Netzwerk entstehen konnte.

Mit einer Öffnung von Strukturen und Tools gehen aber auch Herausforderungen einher: Wie ist sicherzustellen, dass Informationen aktuell gehalten werden? Wie wird Qualität & Professionalität gesichert? Wie werden grundlegende Werte an neue Organisatoren kommuniziert? Dennoch überwiegen bei der Socialbar die Vorteile der offenen Strukturen. Die niedrigschwelligen Hürden ermöglichen, dass viele Menschen sich engagieren, identifizieren und begeistern.

Sophie Scholz (Jg. 1979), ist Gründerin der Initiative Socialbar „online vernetzen – offline bewegen“ und verfolgt in diesem Rahmen das Thema Zivilgesellschaft & Social Media vor dem Hintergrund der Fragestellung, wie die
neuen Medien zu mehr Partizipation, Transparenz und Engagement im dritten Sektor beitragen können. Als Mitgründerin der e-fect dialog evaluation consulting Genossenschaft gestaltet sie Dialog- und Beteiligungsprozesse und ist als Präsenz- und Online-Moderatorin, Online-Kommunikationsgestalterin und Kommunikationstrainerin tätig. Kontakt: sophie.scholz@socialbar.de

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