Von Marie Joram, Jungendbildungsreferentin bei der BUNDjungend NRW
Im Frühjahr 2014 startete die BUNDjugend NRW mit der „Neuen Medien Offensive“ ein Projekt, welches innovative Ansätze zur Gründung und Betreuung von Jugendgruppen erproben sollte. In Auftaktveranstaltungen lernen die jungen Teilnehmer(innen) von einem professionellen WDR-Journalisten kurze Videos von ihren Aktionen und zu Umweltschutzthemen mit Smartphones zu drehen, die Clips am Laptop zu bearbeiten und über die Sozialen Medien möglichst viral zu verbreiten. Aus diesen Workshops sollten sich Jugendgruppen mit dem Schwerpunkt „Neue Medien“ gründen, die durch technisch und redaktionell hochwertige Videos weitere Jugendliche für ein Engagement im Natur- und Umweltschutz begeistern.
Hintergrund und Ziele der „Neue Medien Offensive“
Mit diesem Projekt versucht die BUNDjugend NRW als Verband auf die veränderten Strukturen im Leben junger Menschen zu reagieren. Knapper werdende Freizeit und wenig zeitgemäße Angebote lassen die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sinken und tragen somit auch zum Verfall zahlreicher Ortsgruppen bei. Bisher aktive Jugendliche verlassen mit zunehmendem Alter die Gruppe, da Studium oder Berufsausbildung viel Zeit oder gar einen Umzug erfordern. Verbindliche Terminfindungen werden durch Ganztagsschulen, Unistress oder lange Anreisezeiten immer schwieriger. Für die Besetzung verantwortungsvoller und längerfristiger Positionen wie der Leitung einer Gruppe finden sich kaum noch Freiwillige. Gleichzeitig gewinnen die sogenannten Soft Skills wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit und Kreativität gesellschaftlich an Bedeutung. Nachhaltigkeitsbewegungen wie „Degrowth“, Veganismus, Fairer Handel und Ähnliche erreichen eine immer breitere Bevölkerungsschicht und stoßen insbesondere bei der jungen Generation auf offene Ohren. Ziel der Neuen Medien Offensive ist es, Wege zu finden, um diese beiden Strömungen miteinander vereinbar zu machen und Methoden zu testen, wie technische Innovationen in der Jugendarbeit genutzt werden können.
© BUNDjugend NRW
Erfahrungen aus dem Marketing für die „Neue Medien“ Gruppen in Bochum, Essen, Hagen und Soest
Zu Beginn wurden vier Städte ausgewählt, in denen Ehrenamtliche vor Ort die Gründung und weitere Betreuung der Jugendgruppen im Rahmen der Neuen Medien Offensive begleiten wollen. In Hagen, Bochum und Essen fanden sich BUND-Aktive, in Soest übernahm die Projektleitung der Neuen Medien Offensive zusammen mit den Freiwilligen der Landesgeschäftsstelle diese Aufgaben. Leider wurde bald deutlich, dass sich unsere Bemühungen in Essen nicht auszahlen würden, da die ehrenamtlichen Unterstützerinnen durch Schwangerschaft und ein erhöhtes Arbeitspensum nicht genügend Energie in das Projekt stecken konnten. Auch in Bochum konnte unsere Partnerin vor Ort nur wenig Zeit aufbringen. Aus diesem Grund erfolgte dort die Bewerbung der Auftaktveranstaltungen zu großen Teilen aus der Landesgeschäftsstelle heraus und wegen der relativ großen Distanz hauptsächlich digital.
Im Vergleich zu Hagen und Soest, wo unsere Ehrenamtlichen sehr aktiv Flyer verteilt, Bekannte angesprochen und das Projekt bei zahlreichen Jugendveranstaltungen live vorgestellt haben, wurde hier deutlich, dass Werbung über die Neuen Medien alleine leider nur wenig fruchtbar ist. E-Mails, Facebook-Einladungen und Co. lassen sich einfacher ignorieren oder vergessen als jemand, den man persönlich kennengelernt hat. Vor allem Freunde und Freundinnen stellten sich als unverzichtbares Zugpferd heraus, wie die Aussage eines Workshop-Teilnehmers in Hagen zeigt:
„Meine Mutter hat mir den Flyer gegeben, den habe ich in die Ecke gelegt. Erst als mich einige Klassenkameraden gefragt haben, ob ich mitkommen will, habe ich ihn mir nochmal angeschaut und mich angemeldet.“
Obwohl digitalen und Soziale Medien den persönlichen Kontakt nicht ersetzen können, bieten sie doch zahlreiche Möglichkeiten: E-Mails sind schneller und kostengünstiger als Flyer per Post zu verschicken, über Mailinglisten erreicht man diejenigen, die sich auch für entsprechende Themen interessieren, zu Facebook-Veranstaltungen kann man mit nur wenigen Klicks alle „Freunde“ einladen und Einträge in Onlineveranstaltungskalender sind schnell gemacht, häufig kostenlos und erreichen viele, die wissen wollen, was sie in ihrer Stadt unternehmen können. Durch „Liken“ und Teilen kann eine Aktion, Gruppe oder ein Thema sofort verbreitet werden, ohne dass Flyer aufgehoben und persönlich weitergegeben werden müssen. Zudem bieten Homepages, Facebook-Seiten und Youtube-Kanäle, auf die mit einfachen Links oder auf gedruckten Produkten mit QR-Codes verwiesen werden kann, eine Fülle an Hintergrundinformationen über den Herausgeber des Werbematerials. So erhalten die Jugendlichen einen detaillierteren Einblick in die Arbeit und das Wesen der Organisation und können besser einschätzen, was sie bei der Veranstaltung erwartet.
Die Auftaktworkshops und Aktivitäten der Gruppen
In den Auftaktworkshops, die insbesondere in Soest und Hagen gut besucht waren, lernten die Teilnehmer von einem WDR-Journalisten Tipps und Tricks rund um das Filmen mit Smartphones, Filmbearbeitung und -veröffentlichung. Eine konsumkritische Geocaching-Tour diente in Hagen als zusätzlicher Aufhänger und als Möglichkeit, praktische Erfahrungen im Filmen von Aktionen zu sammeln. Damit wurden die Jugendlichen auf zwei Ebenen angesprochen: erstens mit einer spannenden, ungewöhnlichen Aktion zum Thema Umweltschutz, zweitens mit der Möglichkeit technisches Know-How zu erweben. Laut der JIM-Studie 2013 (Jugend, Information, Media) nutzen 89% der 12 bis 19-Jährigen in Deutschland mindestens mehrmals wöchentlich das Internet. 72% besitzen ein eigenes Smartphone und 48% machen mindestens mehrmals in der Woche Fotos und Videos damit. Außerdem nutzen 61% Online-Communitys zur Vernetzung mit Initiativen, die sich für die Umwelt oder Soziales einsetzen. Neue Medien sind folglich eine feste Größe im Lebensalltag von Jugendlichen und damit auch ein wichtiges Medium, um sie zu erreichen und anzusprechen. Tatsächlich erfreuen sich Foto- und Video-Workshops in Zeiten von Instagram, Youtube und Co. großer Beliebtheit.
Besonders die Jugendgruppe in Hagen, die bereits kurz nach ihrer Gründung weitere Mitglieder anzog, hat sich als Neue Medien Gruppe etabliert. In regelmäßigen Treffen arbeiten die 14- bis 16-Jährigen mit Unterstützung einer BUND-Aktiven daran, einen Film über die Unterschiede von fairen und konventionellen Jeanshosen zu produzieren. Sie informieren sich über technische Aspekte wie die Vor- und Nachteile verschiedener Schnittprogramme aber auch fachlich über fairen Handel und seine sozial-ökologischen Auswirkungen. Die BUNDjugend-Gruppe Soest nutzt ihr Filmtraining dazu, kurze Clips über ihre Aktionen zu drehen und zu verbreiten. Diese sollen andere Jugendliche über das Thema und das Engagement der Gruppe informieren und zum Mitmachen anregen. Durch einen guten Medienauftritt können Interessierte in eine Organisation hineinschnuppern, Tätigkeiten und Mitglieder der Gruppe kennenlernen, ohne direkt in persönlichen Kontakt treten zu müssen. Es wird damit deutlicher was auf eine Person zukommt, die überlegt sich zu engagieren. Die Ungewissheit und damit die Hemmschwelle, zu einem Treffen zu gehen, wird reduziert. Tatsächlich trägt dieses Konzept in Soest nun Früchte: Mehrere Interessierte haben durch die intensive Öffentlichkeitsarbeit von der Gruppe erfahren und möchten sich engagieren.
Videos selbst drehen: Tipps und Tricks
Wer nun selbst hochwertige Werbe- und Aktionsvideos mit einfachen Mitteln drehen möchte, sollte folgendes beachten: Einige redaktionelle Überlegungen im Vorfeld ersparen langwieriges Sichten, Auswerten oder gar Nachdrehen. Was soll das Video ausdrücken? Welche Stimmung? Welche Botschaft? Was für Bilder und Statements brauche ich dafür? Wie sieht meine Zielgruppe aus? Wie lang soll der Beitrag werden? Bin ich rechtlich abgesichert? Sobald eine Person deutlich zu erkennen ist, wird deren Einverständnis benötigt. Diese kann auch stillschweigend gegeben werden, wenn jemand z.B. ein Interview direkt in die Kamera gibt und damit offensichtlich gefilmt wird. Für das Filmen auf Privatgelände ist eine Drehgenehmigung erforderlich. Private Gebäude dürfen aber von öffentlichen Flächen wie Bürgersteigen oder Straßen aus gefilmt werden.
Auch das Urheberrecht muss bedacht werden. Lizenzfreie Filmmusik gibt es unter anderem auf www.jamendo.de, lizenzfreie Bilder auf www.pixabay.de. Des Weiteren sollte der Clip Nachrichtenwert haben, damit er möglichst häufig geteilt und damit verbreitet wird. Dieser spaltet sich in Wissenswert, Nutzwert und Unterhaltungswert auf. Im besten Fall enthält ein Video neue Informationen, die Zuschauer(innen) praktisch anwenden können und löst zudem Emotionen wie Freude oder Betroffenheit aus. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Clip „Follow the Frog“ der Rainforest Alliance:
Wenn das Storyboard fertig ist, fehlen noch die technischen Vorbereitungen: Ist der Akku des Smartphones vollständig geladen und genügend Speicherplatz vorhanden? Wird ein externes Mikrophon benötigt, weil es sehr windig ist? Brauche ich Requisiten? Das Skript sowie wichtige Telefonnummern von z.B. Interviewpartnern sollten ebenfalls eingepackt werden.
Bei Filmen selbst ist darauf zu achten, dass immer mit dem Licht und dem Wind gedreht wird. Beim Zoomen entsteht häufig eine Unschärfe, deshalb sollte dieses Mittel nur sparsam eingesetzt werden. Durch die Festlegung auf Hoch- oder Querformat werden unschöne Sprünge im späteren Film vermieden. Das Schneiden fällt leichter, wenn man Bilder fünf Sekunden lang vor einem Schwenk oder dem Ende der Sequenz stehen lässt. Man sollte sich nicht scheuen, einem Interviewpartner konkrete Anweisungen zu geben und Szenen ein zweites Mal zu drehen, falls ein lautes Geräusch, ein Versprecher oder ein unpassender Hintergrund gestört haben. Gezielte Aufnahmen der Gestik können später gezeigt werden, wenn der Interviewton geschnitten wird und damit nicht mehr Lippensynchron verläuft. Durch verschiedene Einstellungsgrößen und -perspektiven gewinnt der Clip an Leben.
Für das Schneiden und Bearbeiten von Filmen gibt es zahlreiche Programme. Im Rahmen der Neuen Medien Offensive wurde das Open Sorce Programm „Open Shot“ verwendet, welches unter www.openshotusers.com/help/1.3/de/ ausführlich erklärt wird. Allgemein sollten Effekte und Übergänge sparsam eingesetzt werden. In Deutschland ist eine Qualität von 25 fps (Frames per Second) üblich.
Neben der Verbreitung der Videos nutzen die Gruppen Facebook auch als Vernetzungsplattform. Dort werden Termine organisiert, Absprachen getroffen und Informationen geteilt. Die Hagener kommunizieren zudem über eine WhatsApp-Gruppe. Hier hat sich gezeigt, dass viele Jugendliche Plattformen bevorzugen, die sie bereits privat nutzen und die möglichst viele Funktionen in sich vereinen. Die Klassiker wie Dropbox, Doodle und Facebook haben sich auch in den Neue Medien Gruppen bewährt.
Fazit: Jugendarbeit mit Neuen Medien, aber nicht ohne persönliche Bindungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Neuen Medien eine wichtige Rolle in der Gesellschaft und im Leben von Jugendlichen spielen. Sie bieten viel Potenzial um junge Menschen zu erreichen und zu motivieren, sind aber auch kein Allheilmittel. Ein gut gepflegter, zielgruppengerechter und moderner Onlineauftritt ist in der heutigen Jugendarbeit nahezu unumgänglich. Zahlreiche Onlinetools und Werbevideos können die Gruppen- und Öffentlichkeitsarbeit zwar unterstützen, echte Bindungen und Freundschaften entstehen aber nach wie vor durch persönlichen, direkten Kontakt; Und ist es nicht letztendlich das, was eine gute Jugendgruppe ausmacht?
Hier finden Sie die BUNDjugend NRW bei Youtube.