von Cathrin Bengesser, Grimme-Institut
„Nur mit deiner Hilfe kann es an seinen Geburtsort zurück kehren, um sich dort mit seinen Artgenossen zu paaren!“ Dieser Aufruf gilt nicht Mitbürger(innen), die Kröten über Straßen tragen sollen, sondern will zum Recycling von Handys motivieren. Studierende der Rheinischen Fachhochschule Köln stecken dafür Smartphones in Fellhüllen und erzählen zu Walzermusik von der alltäglichen Symbiose zwischen Mensch und Mobiltelefon. Die Ressourcen aus den Geräten für das Leben einer neuen Generation zur Verfügung zu stellen, ist nach dieser Geschichte Ehrensache.
Dieses Beispiel ist ein Youtube Clip, der im Projekt „Green Movie. Green Media“ der Tropenwaldstiftung OroVerde entstanden ist. Das Projekt wurde gefördert durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW. Junge Menschen konnten darin unter professioneller Anleitung ihre Ideen zur Nachhaltigkeitskommunikation entwickeln und umsetzen. Das Projekt wurde 2014 im Wettbewerb der Initiative NRW denkt nach(haltig) ausgezeichnet, denn es zeigt, dass „Ökothemen“ heute nicht mehr nur Platz auf Protestplakaten finden. Über Webvideos lassen sich Aspekte der Nachhaltigkeit mit Witz und Professionalität zielgruppenrecht vermitteln und das auf vielerlei Weise. Wie das funktioniert, zeigen erfolgreiche Youtuberinnen und Youtuber.
Youtube: Eine Informationsplattform nicht nur für Jugendliche
Zehn Jahre nachdem das wackelige Dokument eines Zoobesuchs als erstes Video auf die Plattform hochgeladen wurde, ist Youtube längst mehr als ein Sammelbecken für Tierfilmchen und illegal hochgeladenen Musikclips. In Erklärvideos, wie denen des „Doktor Allwissend„, finden sich fundierte Antworten auf Alltagsfragen wie „Warum man Dinge kauft, die man nicht braucht“ oder ein Video, das konsumkritisch das Thema „geplante Obsoleszenz“ erklärt.
Schritt für Schritt lernt man in Videoanleitungen (Tutorials), wie man Dinge selbst baut, backt oder bastelt anstatt sie kaufen zu müssen. Auch auf den Kanälen beliebter Youtuber(innen) wird mehr als nur Spiele- oder Beauty-Tipps ausgetauscht. „LeFloid„, mit zwei Millionen Abonnenten einer der erfolgreichsten Youtuber in Deutschland, präsentiert seinen Zuschauern wöchentlich Nachrichten und Kommentare zu gesellschaftlichen Themen wie Rechtsextremismus. Dafür erntete er Lob von Ulrich Wickert: LeFloid habe ein Transportmittel gefunden, mit dem man eine ganze Reihe von Leuten ansprechen kann, die eben nicht den Kommentar abends in den „Tagesthemen“ sehen wollen. Die britische Youtuberin „Zoella“ spricht in ihren Videos nicht nur über Schminke, sondern sie erzählt auch von ihren Panikattacken und beantwortet Zuschauerfragen nach ihren Strategien im Umgang damit. So wurde sie zum Gesicht für eine Aufklärungskampagne über psychische Krankheiten.
Wie die Beispiele der jungen Youtube-Stars zeigen, ist das Verhältnis zwischen Sendern und Empfängern auf Youtube ein anderes als in den klassischen Medien: Das Publikum kann Themen mitbestimmen, eine junge Frau spricht zu anderen jungen Frauen über ihre Interessen und Probleme, und Nachrichten werden für gleichaltrige Zuschauer(innen) aufbereitet. Als Prinzip der Peer-Education ist diese Form der Bildung heute ein Grundpfeiler der Medienpädagogik.
Youtube ist aber nicht nur ein Medium für Jugendliche. Auch wenn die Nutzung der Plattform bei älteren Generationen abnimmt, zeigen die Zahlen der ARD/ZDF-Onlinestudie 2013, dass unter 40-49-Jährigen beinahe zwei Drittel Youtube nutzen. Bei den Internetusern zwischen 60 und 69 sieht sich jeder Vierte gelegentlich Clips auf Youtube an. Damit ist Youtube nach der Wikipedia die beliebteste Web 2.0-Anwendung und das über alle Generationen hinweg.
Botschaften auf Youtube verbreiten
Zwar gibt in der ARD/ZDF-Onlinestudie nur jeder zehnte Onliner an, Youtube für Gesprächsstoff und Denkanstöße zu nutzen, das Potenzial von Youtube als Plattform für gesellschaftliche Themen wie Nachhaltigkeit sollte dennoch nicht unterschätzt werden, denn auf der Plattform haben zunächst alle Botschaften eine Chance. Die Wege, wie Online-Videos ihren Weg zu den Zuschauer(inne)n finden, zeigt den Unterschied z.B. zum Fernsehen.
Anders als in klassischen Medien erfolgt die Bewertung der Relevanz eines Beitrags bei Youtube nicht durch eine Redaktion als Gatekeeper im klassischen Sinne. Unter den Youtube-Usern herrscht eine Empfehlungskultur. Das bedeutet, Videos, die Nutzer(inne)n von ihren Freunden in sozialen Netzwerken empfohlen wurden, besitzen einen höheren Wert und werden eher angeklickt. Videos mit vielen Klicks wiederum erscheinen auch anderen Nutzer(inne)n als sehenswerter. Dieses Prinzip ist gleichzeitig die Grundlage des Erfolgs so genannter „viraler“ Videos, die sich durch tausendfaches Weiterempfehlen verbreiten. So erreichte im Herbst 2014 das Bundesumweltministerium mit den Youtube-Videos zur Kampagne „Zusammen ist es Klimaschutz“ (#ziek) drei Millionen Klicks in vier Wochen.
Die #ziek-Videos zeigen, worauf es bei Youtube Clips ankommt: Mit nur 30 Sekunden sind sie kurz, Bild und Ton sind hochwertig und durch den Einsatz von Zombies und Sex spielen die Filme dramaturgisch mit den Erwartungen der Zuschauer. Der Überraschungseffekt am Ende weckt dann bei den Zuschauer(inne)n Interesse für die eigentliche Botschaft der Clips: Energiesparen.
(Auf) Youtube lernen
Auch wenn bereits viele Menschen Youtube als Zuschauer(innen) nutzen, produzieren nur wenige auch selbst Videos. Hier bleibt Potenzial ungenutzt. Youtube ist ein Kommunikationsmittel über das Themen, Botschaften und Wissen niedrigschwellig vermittelt werden können. Wie Karsten Wolf, Professor für Medienpädagogik an der Uni Bremen, betonte kürzlich, schaffen Erklärvideos auf Youtube eine nicht-bedrohliche, fehlertolerante, positive Lernatmosphäre. Man könne die Produktion der Clips sogar als Lernstrategie verstehen, da sie Anlässe schaffen, sich vertiefend mit einem Thema auseinander zu setzen. Der entsprechende Artikel findet sich in der Ausgabe „Webvideo“ (1/2015) der Zeitschrift merz. Über Youtube-Videos lässt sich also gleich mehrfach lernen. Und wie man erfolgreicher Youtuber wird, lernt man natürlich am besten auch von Youtubern, z.B. im „Utubelab„, einer Videoserie mit drei jungen Youtubern, die auf der Ars Electronica 2014 entstand.
Noch mehr audiovisuelle Inspiration bietet das Themenspecial „Nachhaltigkeitskommunikation per Webvideo“ von NRW denkt nach(haltig). Konkrete Tipps zur Videogestaltung gibt Marie Joram in ihrem Beitrag „Jugendgruppen 2.0: Gründung und Betreuung von Jugendgruppen mit Hilfe Neuer Medien„.
Cathrin Bengesser ist Medienwissenschaftlerin und freie Mitarbeiterin im Projekt „NRW denkt nach(haltig)“ des Grimme-Instituts.
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