„Die Leute kommen nicht nur zu uns, weil da Schreibtische stehen.“ Martin Herrndorf, Mitgründer des Colabors in Köln, im Gespräch mit NRW denkt nach(haltig) über co-working im „Raum für Nachhaltigkeit“

Seit November 2012 bietet das Colabor in Köln einen Denkraum und Arbeitsplatz für alle, die im Bereich ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit aktiv sind. Im coworking-space des Colabors in Köln Ehrenfeld arbeiten Freiberufler(innen), Unternehmer(innen) und NGOs nicht einfach vor sich hin, sondern können sich gegenseitig kennen lernen und austauschen. Darüber hinaus finden im Colabor regelmäßig Veranstaltungen rund um das Thema Nachhaltigkeit statt, wie z.B. Upcycling-Workshops oder Filmabende. NRW denkt nach(haltig) spricht mit Martin Herrndorf, einem der Gründer des Colabors, über die Erfahrungen aus den gut zwei Jahren nachhaltigem co-working, über bisherige Projekte und über Ideen für die Zukunft.

Das Team des Colabors in Köln Ehrenfeld, v.l.n.r.: Martin Herrndorf, Katharina Schwartz und Miriam Pflüger. (c) Colabor

Das Team des Colabors in Köln Ehrenfeld, v.l.n.r.: Martin Herrndorf, Katharina Schwartz und Miriam Pflüger.
(c) Colabor


Wie im Manifest des Colabors zu lesen ist, soll es einen Raum für Nachhaltigkeit bieten. Wie verstehen Sie dieses Ziel und wie ist dieser Raum sowohl real als auch ideell ausgestaltet?
Nachhaltigkeit bezieht sich zum einen darauf wie wir selber handeln. Das Colabor haben wir z.B. mit alten Stahlschränken aus einer Fabrik und alten Tischen aus einem Architekturbüro eingerichtet, die wir weiter nutzen. Außerdem kaufen wir Biolebensmittel ein und beziehen von regionalen Lieferanten.

Zum anderen geht es uns darum, Nachhaltigkeit als Thema in der Stadt voran zu bringen und Menschen die an Nachhaltigkeitsthemen arbeiten eine Plattform und einen Arbeitsplatz zu bieten. Colaborist werden kann nur, wer sich beruflich im Nachhaltigkeitsbereich bewegt und das aktiv und professionell vorantreibt. Wir bringen auch durch unsere Veranstaltungen Menschen zusammen, vernetzen und informieren sie, damit sie selbst aktiv werden.

Es hat sich für mich gezeigt, welches Potenzial darin steckt einen physischen Ort zu schaffen, der für bestimmte Themen und Netzwerke steht. Einen Ort, wo Menschen ganz konkret und dauerhaft an diesen Themen zusammenarbeiten können. Es gibt ja immer viele Theorien, Ansätze, Modelle, Studien usw. wie man nachhaltige Lebensstile und Arbeitswelten fördern kann. Im Colabor machen wir das ganz konkret jeden Tag und freuen uns sehr den Erfolg und die Rückmeldungen zu bekommen.

Die "Maker Fair", eine Veranstaltung im Colabor

Die „Maker Fair“, eine Veranstaltung im Colabor
Foto: © Colabor Köln

Das Colabor setzt ja auf das Prinzip des co-workings. Worin bestehen dabei Ihrer Ansicht nach die Vorteile gegenüber z.B. einem Home Office, über das sich dank digitaler Medien mittlerweile auch fast alles erledigen lässt? Kurz gesagt: Was geht im Colabor, was sonst nirgends geht?
Bei uns werden Ressourcen wie Küche, Drucker oder Meeting-Raum gemeinsam genutzt. Aber insbesondere die Vernetzung und der Austausch sind den meisten sehr wichtig. Die Leute kommen nicht nur zu uns, weil da Schreibtische stehen sondern auch um miteinander zu reden, denn sie sind ja alle im Nachhaltigkeitsbereich tätig, haben gemeinsame Themen und arbeiten an denselben Herausforderungen. Einer unserer Bewerber für einen Platz im Colabor hat in den zehn Minuten, die er auf unserer Terrasse stand, drei Leute kennen gelernt, die für sein Projekt interessant und wichtig sein können. Das heißt, wir bieten ein Netzwerk.

Außerdem kommt man aus der Situation zu Hause raus. Einige können sich im co-working-space besser konzentrieren. Es gibt auch einen Schub für die Motivation, wenn man nicht das Gefühl hat, alleine an seinem Schreibtisch zu sitzen und wenn man merkt, dass man nicht der Einzige auf der Welt ist, der an diesem Thema arbeitet.

Wie sieht ein klassischer Arbeitstag im Colabor aus?

Mittwochstradition: Der gemeinsame "CoSalat" Foto: © Colabor Köln

Mittwochstradition: Der gemeinsame „CoSalat“
Foto: © Colabor Köln

Um 9 Uhr machen wir auf. Manche kommen schon vorher, wenn die Kinder in Kindergarten oder Schule gebracht sind. Dann trudeln so langsam die Leute ein, die meisten mit dem Rad, und suchen sich einen Arbeitsplatz aus. Wir haben Räume die ruhiger sind oder den großen Raum, in dem man sprechen und sich treffen kann. Mittags gehen die Leute dann gemeinsam raus und essen. Außer am Mittwoch: Da wird gemeinsam Salat gemacht, ein festes Ritual im colabor. Am Nachmittag macht mal einer eine Runde Kaffee für alle und es kommen Leute vorbei, für Meetings oder um Plakate und Flyer abzuholen.

Abends werden dann die Tische umgestellt und wir haben Veranstaltungen, z.B. eine Filmvorführung. Diese Veranstaltungen sind offen für alle. Wir haben auch externe Veranstaltungen zu Gast. Zu unserem Fairtrade-Frühstück kommen zum Beispiel vor allem Studenten und Familien mit Kindern. Wir haben aber auch Events für die Radszene oder zum Thema Mode-Design.

Das Colabor existiert nun schon seit über zwei Jahren und vereint zahlreiche Colaboristen. Zu welchen gemeinsamen Ideen oder Kooperationen ist es bisher gekommen, die ohne den gemeinsamen Raum nicht entstanden wären?
Wir haben das Colabor zu dritt gegründet: Katharina Schwartz, Miriam Pflüger und ich. Sowohl wir drei als auch die Colaboristen haben schon in vielen Konstellationen zusammen gearbeitet und Projekte unterstützt.Ein Projekt ist zum Beispiel der „Tag des guten Lebens“. Ich kümmere mich um die Finanzen und wir nutzen das Colabor als physischen Raum, z.B. um Sicherheitswesten und Drucksachen zu lagern.

Ein anderes Projekt sind die Upcycling-Workshops an Schulen, die Tatjana Krischik von Stadt, Land, Welt e.V. organisiert. Sie hat durch die Colaboristen von „TeachFirst Deutschland“ viele Kontakte zu Schulen bekommen und es hat sich eine sehr konkrete Zusammenarbeit ergeben. Sie haben sich gemeinsam überlegt welche Schulen und welche Lehrer angesprochen werden, wo das Ganze stattfindet und was genau angeboten wird. Das war eine sehr fruchtbare Kooperation.

Außerdem haben wir das Konzept der Food Assembly aus Frankreich importiert. Konsumenten bestellen bei Bauern und ein paar Stunden später werden die Produkte übergeben. Die erste Food Assembly in Deutschland hat in unseren Räumen stattgefunden. Jetzt gibt es bei uns jede Woche einen Bauernmarkt. Wir sind froh Räume zu Verfügung stellen zu können, damit so etwas auch in Köln funktioniert.

Die Food Assembly im Hof des Colabors Foto: © Semjon Mooray

Die Food Assembly im Hof des Colabors
Foto: © Semjon Mooray

Wie sieht die Zukunft des Colabors aus? Was ist geplant und wie würden Sie es gerne weiter entwickeln?
Wir möchten die Community im Colabor stärken – die Arbeit mit unseren Colaboristen, Alumni, Freunden und unseren aktuellen oder zukünftigen Partnern wie Social Impact, der GLS Bank oder Greenpeace Energy. Da gibt es noch viel Potential, um gemeinsam die Themen voranzutreiben, die uns wichtig sind – Bürgerbeteiligung, alternative Mobilität, regionale Ernährung, und die Förderungen von Sozialunternehmen, die gezielt und unternehmerisch sozial-ökologische Probleme angehen.

Konkret haben wir in den letzten Monaten zusammen mit Social Impact angefangen, Gründer im Bereich Soziales und Nachhaltigkeit zu unterstützen. Das wollen wir auf jeden Fall fortführen. Denn wir sehen in Köln ein großes Potenzial um noch mehr Gründer an den Start zu bekommen. Die geförderten Gründer bekommen zum einen bei uns einen festen Arbeitsplatz, den sie für bis zu acht Monate mieten können, zum anderen bekommen sie Coaching und Fachberatung. Das heißt, Experten stehen ihnen beim Gründungsprozess zur Seite und helfen bei allgemeinen Fragen aber auch bei konkreten Themen wie Design, Finanzierung und Marketing.

Auch wollen wir mit Unterstützung der GLS Bank das Thema regionale Ernährung ganz konkret im Viertel Ehrenfeld vorantreiben. Das Projekt machen wir gemeinsam mit dem Veedelfunker, einem Magazin das sehr pragmatisch, verständlich und zugänglich für Nachhaltigkeit wirbt. Wir planen verschiedene öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen wie Filmvorführungen, Radtouren zum Bauern oder eine mobile Lastenradküche und wollen am Ende Multiplikatoren und Ansprechpartner aus dem Viertel mit Bauern zusammen bringen, um gemeinsam neue Verknüpfungen zwischen dem Land und der Stadt herzustellen.

Bei all dem freuen wir uns auf und über viele Besucher im Colabor – ob tagsüber zum arbeiten, oder abends oder am Wochenende für Diskussionen und Netzwerken!

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