„Unser Ziel ist es, den Menschen Mut zu machen, sich auf die neuen Möglichkeiten des Internets einzulassen.“ Daniel Hoffmann, Projektleiter des Forums Seniorenarbeit NRW, im Gespräch über das Netzwerk „Engagement älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft“

Etwa ein Drittel der Bürger(innen) zwischen 50 und 74 Jahren ist sozial oder gesellschaftlich engagiert. Laut „Monitor Engagement“ des Bundesfamilienministeriums gibt es aber noch mehr Potenzial in dieser Altersgruppe. Gleichzeitig sind mit zunehmendem Alter immer weniger Menschen online aktiv. Dafür, dass die Teilhabe von Senior(inn)en in beiden Bereichen gestärkt wird, sorgt das Forum Seniorenarbeit NRW mit dem Netzwerk „Engagement älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft“. Daniel Hoffmann, Projektleiter des Forums Seniorenarbeit NRW, erklärt im Gespräch mit NRW denkt nach(haltig) wie Senior(inn)en Online-Medien für ihre eigenen Projekte und Interessen nutzen und sie damit ihr gesellschaftliches Engagement unterstützen können.

Daniel Hoffmann, Projektleiter des Forums Seniorenarbeit NRW

Daniel Hoffmann, Projektleiter des Forums Seniorenarbeit NRW


Das Internet und soziale Medien spielen im Alltag von älteren Menschen eine weit weniger wichtige Rolle als bei jüngeren Generationen. Warum können ausgerechnet Online-Medien das gesellschaftliche Engagement von Senior(inn)en unterstützen?
Es gibt zwei Schwerpunkte im Engagement älterer Menschen, bei denen Online-Medien eine Rolle spielen. Zum einen ist da die Öffentlichkeitsarbeit über das Internet, um Projektideen im lokalen Kontext zu verbreiten. Wir gehen davon aus, dass unsere Projekte nicht für die ganze Welt interessant sind, aber auch für das lokale Umfeld ist das Internet ein gutes Mittel zur Öffentlichkeitsarbeit.

Zum anderen kann die interne Organisation des bürgerschaftlichen Engagements über das Internet stattfinden. Ein schönes Beispiel für die Selbstorganisation von Projektgruppen war eine Seniorenmesse in Lohmar, die die ehrenamtlich Beteiligten in Form eines Wikis geplant und organisiert haben. In diesem geschützten Online-Raum, der nur für die Organisatoren zugänglich ist, haben sie z.B. die Standtorte der Stände bestimmt. Der Vorteil einer solchen Organisation ist: Jeder hat von jedem Ort aus Zugriff.

Zusätzlich zu diesen zwei Bereichen ergeben sich für Senior(inn)en durch das Internet neue Engagementfelder, wie z.B. journalistische Tätigkeiten oder Lotsendienste.

Wie vermitteln Sie Ihrer Zielgruppe, z.B. potenziellen Teilnehmer(inne)n Ihrer Workshops, diese Mehrwerte?
Unsere Zielgrupe sind Menschen, die schon eine gewisse Techniknähe mitbringen und bereits ein Engagement haben, das sie technisch erweitern wollen. Über viele Jahre haben wir Kontakte zu unserer Zielgruppe aufgebaut. Unser Newsletter hat 4,5 Tausend Abonnenten, da wissen wir, dass ein Workshop schnell ausgebucht ist.

Der Mehrwert unserer Workshops ist, dass wir immer die eigenen Projekte der Teilnehmenden in den Mittelpunkt stellen. Es geht nicht darum zu lernen wie man den Computer nutzt, um eine Homepage zu machen, sondern es geht darum, wie man mit Hilfe des Internets das eigene Projekt und Engagement weiter entwickeln kann. Unser Ziel ist es, den Menschen Mut zu machen, sich auf die neuen Möglichkeiten des Internets einzulassen. Ein Beispiel sind unsere Zeitzeugenprojekte, die natürlich schon vorher aktiv waren, aber durch das Internet eröffnen sich ihnen ganz neue Dimensionen um ihre Arbeit z.B. durch Bildergalerien oder Podcasts zu ergänzen.

Mit welchen Interessen, Themen und Projektideen kommen die Teilnehmer(innen) zu den Workshops? D.h. an welchen Formen des gesellschaftlichen Engagements sind ältere Generationen interessiert?
In unseren Workshops geben wir einen Rahmen für die Themen vor. Es geht um Bereiche, die ältere Menschen und den demografischen Wandel betreffen und die sich auf einen engeren Lokalraum beziehen. Wir verwenden hier den Begriff „Quartier“, der z.B. die eigene Stadt bezeichnen kann. Es geht also nicht darum, ein bundesweites Portal zu einem bestimmten Thema aufzubauen sondern darum im unmittelbaren Umfeld der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu wirken.

Dieser Rahmen kommt dann mit dem Interesse der Teilnehmenden zusammen, die sich z.B. in ihrer Begegnungsstätte vor Ort engagieren und diese ins Internet bringen wollen. Wir haben auch viele Engagierte aus dem Bereich der politischen Arbeit, wie zum Beispiel Seniorenvertretungen, die das Internet nutzen, um mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt in Kontakt zu kommen und ihr Tun zu dokumentieren. Wichtig ist es, dass eine Projektidee mitgebracht wird und sich die Idee dann auch wirklich auf einer Online-Plattform konkretisieren lässt. Das kläre ich vor den Workshops in Gesprächen mit den Interessenten ab.

Zur Umsetzung der Online-Projekte nutzen Sie WordPress, eine Blog-Software. Welche Vorteile bietet diese für die Umsetzung von sozialem Engagement im Vergleich zu Netzwerken wie Facebook, das ja vielfältig zur Verbreitung von Online-Kampagnen und zur Vernetzung von Aktivistinnen genutzt wird?
Wordpress wurde zwar als Blog-Software entwickelt, ist aber heute ein Content-Management-System, mit dem man alles abbilden kann: Vom Veranstaltungskalender über Datenbanken bis zu sozialen Medien lässt sich alles in eine WordPress-Seite integrieren. Und all diese Möglichkeiten nutzen wir auch, je nach Projekt. Man kann damit ein Nachrichtensystem entwickeln, das sehr nahe an einem Blog ist, aber es gibt auch Teilnehmer, die auf ihren Seiten einfach nur ihr Team darstellen oder eine Landkarte abbilden wollen.

Ein weiterer Vorteil ist, Herr der eigenen Daten zu sein. In den Workshops entwickeln wir die Seiten auf unserer Werkbank www.unser-quartier.de. Danach können die Daten, sofern die Teilnehmenden dies wünschen, auf ein eigenes System des jeweiligen Projekts transportiert werden.

Beim Thema soziale Medien herrscht bei Älteren eine gewisse Skepsis. Aus meiner Sicht meiden viele diese Plattformen besonders wegen Sorgen um den Datenschutz. Die These, dass sich die Generation 60+ zunehmend auf Facebook bewegt, kann ich aus den Erfahrungen mit meinen Workshop-Teilnehmern nicht in der Form bestätigen. Im weiteren Verlauf ihrer Projekte, entwickeln sie jedoch Schnittstellen zwischen ihren Seiten und Facebook, wie es z.B. das Fachforum Seniorenarbeit Bergheim getan hat.

Im Vergleich zu Facebook sind wir mit unserem System auch viel freier in der Gestaltung. Die Teilnehmer investieren viel Energie um ihre Seiten so zu gestalten, wie sie sie möchten. Bei Facebook kann ich nur ein schönes Header-Bild einfügen und das war‘s.

Wie haben sich die Projekte nach den Workshops weiter entwickelt und wie unterstützt das Netzwerk ehemalige Teilnehmer(innen) dabei, um deren Nachhaltigkeit sicher zu stellen?
Das ist wirklich das ganz Besondere an dem Netzwerk. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer lernen interaktiv miteinander zu kommunizieren. Dafür nutzen wir die Plattform Moodle, die geschlossene Räume bietet, in denen wir während der Workshops gemeinsam arbeiten. Für viele ist das die erste Begegnung mit solchen Möglichkeiten der interaktiven Kommunikation.

Wenn der Workshop dann vorbei ist, gehen die Teilnehmer in einen gemeinsamen Online-Raum mit allen ehemaligen Teilnehmern. Nach den zwei Monaten Workshop-Phase hat man zwar das Grundwerkzeug erlernt, aber danach kommen viele Fragen, bei denen sich die Teilnehmer dann gegenseitig unterstützen können. Ich bin als Trainer in diesen Online-Räumen zwar dabei, aber ich versuche mich raus zu halten, wenn es um Probleme geht, bei denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer untereinander weiterhelfen können. Im Moment besteht das Netzwerk aus ungefähr 70 ehemaligen Teilnehmenden, etwa 25 davon sind so wirklich aktiv. Viele Projekte haben auch ein Niveau erreicht, auf dem das Ganze gut läuft. Sie werden dann erst wieder aktiv, wenn sie ein neues Projekt haben oder bei der Weiterentwicklung auf Probleme stoßen.

Den Prozess des miteinander Lernens unterstützen wir auch durch unsere Netzwerktreffen, die zwei Mal im Jahr stattfinden. Hier treffen wird uns „offline“ und sprechen über Themen, die man virtuell nicht so gut bearbeiten kann. Das Ganze ist so ähnlich wie ein Barcamp aufgebaut. Das heißt, wir geben keine Themen vor, sondern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen mit ihren Interessen hin und gestalten ihren eigenen Beitrag zum Netzwerktreffen.

Welche Aktivitäten unternimmt das Netzwerk neben den Workshops, um das Engagement älterer Menschen in der digitalen Gesellschaft zu stärken?
Im Online-Bereich machen wir gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit wie zum Beispiel unseren gemeinsam gestalteten Adventskalender. Mit solchen Aktionen, zeigen wir, wer wir sind und versuchen unsere Bekanntheit zu erweitern.

Darüber hinaus sind alle unsere Teilnehmer Botschafterinnen und Botschafter für die Medienkompetenz älterer Menschen. Sie sind stolz darauf, was sie erreicht haben. Wir haben es hier mit Menschen zu tun, die zwar an Technik interessiert sind, aber nur sehr wenig Vorerfahrung, etwa in der Gestaltung von Webseiten, mitbringen. Wenn ich die Diskussionen verfolge und sehe, welche Kompetenz sie erworben haben und welche Fragen sie stellen, dann ist innerhalb eines Jahres schon eine gewaltige Entwicklung zu beobachten.

2015 finden zwei Workshop-Runden des Netzwerks in Münster und Bonn statt. Weitere Informationen zu Terminen und Anmeldung sowie Projektbeispiele finden sich im Projektflyer und auf der Homepage unser-quartier.de.

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