Commons zwischen analog und digital: Cologne Commons 2013
Ein neues Gespenst geht um in Europa – und in Übersee -, das Gespenst des Commonismus. In Forschung und Lehre wird immer häufiger darüber debattiert, das öffentlich finanzierte Forschung und Wissensproduktion auch öffentlich (und kostenlos) zugänglich sein muss, während Musiker, Fotografen und Literaten – Künstler – ihre Werke unter sog. Commons-Lizenzen stellen. Und schon seit längerem realisieren Menschen in ländlichen Ökodörfern Formen des gemeinschaftlichen Wirtschaftens oder etablieren regelrechte Schenkökonomien, die neuerdings in urbanen Gärten adaptiert und/oder weiter entwickelt werden. „Teilen ist das neue Haben“ macht als Motto die Runde – auch hier -, wenn es um das Teilen technischen Infrastrukturen geht. „Kollaboratives Konsumieren“ wird als Schlagwort gehandelt und beschreibt eine Perspektive für die Nachhaltigkeit.
Diese unterschiedlichen, teils analogen, teils digitalen Diskussionstränge zusammen zu bringen, versuchte die Cologne Commons am 17. und 18. Oktober 2013. Die Konferenz hatte in diesem Jahr das Motto „Allmenden in Wissenschaft, Kultur und Alltag.“ Dementsprechend weit spannte sich der inhaltliche Bogen.
Commons in Wissenschaft und Kultur sind für viele sicher schon mit konkreten Vorstellungen verknüpft, aber im Alltag? Mitorganisator Sebastian Gallehr, CED European Business Council for Sustainable Energy (e5), erklärte (in seiner Begrüßung): „Commons bedeuten für mich, sich zurück zu nehmen, das rechte Maß zu finden, auf die Räume zu achten, die man einnimt, so dass sich ein selbst organisiertes Gleichgewicht einstellen kann. Und dass muss jeder für sich selbst finden.“
Ähnlich philosophisch ging es weiter in Silke Helfrichs Keynote „Commons fallen nicht vom Himmel“ (siehe auch gleichnamigen Artikel in der Oya), die für die Heinrich-Böll-Stiftung erst kürzlich einen umfangreichen Sammelband zu jenen „Commons“ publiziert hat, in der Entwicklungspolitik engagiert ist und mehrere Jahre das Büro der Böll-Stiftung in Mexico-City leitete – also keinen technischen Hintergrund hat, was man ihren Ausführungen auch anmerkte. Sie diagnostiziert zunächst, das der Marktkapitalismus in der Krise sei, was das Aufkommen des Commons-Begriffs und der daraus resultierenden Bewegung – das Gespenst des Commonismus – befördert (hat). Der Marktkapitalismus müsse als ein Paradigma verstanden werden, als ein kultureller Diskursraum in dem wir uns scheinbar selbstverständlich alltäglich bewegen – kurz: er wirke wie eine „Brille“ und krisenbedingt müsse nun eine Neue her, so Helfrich, die Idee der Commons. Sie tue sich dabei schwer mit dem Begriff der Allmende, weil der Begriff seine mitteleralterlichen Wurzeln nicht verleugnen kann. Dabei begreife sie die Commons als zukunftskonzept. Allmende bezeichne das allen in der Gemeinde (abwechselnd) Zugängliche – kurz: das Allgemeingut.
Hierbei ginge es nicht um Dinge, etwa um Wasser, um Land, um Wissen, um Code oder Software: „Es geht um uns, denn es gibt Güter nur, wenn wir sie gemeinsam erezugt haben bzw. unter Zuhilfenahme von Allgemeingütern“. In dieser Weise versteh sie Peter Limbaugh, der sagte: „There ist no commons without commoning“. Es geht um ein gemeinsames Tun, eine Praxis des Miteinander. Ergo: „Commons sind nicht, sie werden gemacht“, so Helfrich.
Vor diesem Hintergrund eröffnete ein Freundin einmal einen Vortrag mit der Frage: „Für wen arbeitet dein Computer?“. Wir halten es für völlig normal, das Wissen, Code usw. privatwirtschaftlich organisiert sind, also Privateigentum seien, Konzernen gehören würden – und nicht der Allgemeinheit. Beispiel Wissenschaft: Wer hat die meisten Patente? Wer wirbt die meisten Drittmittel ein? Dementsprechend sei unser System so strukturiert, das es letztlich die Konkurrenz untereinander befördere und nicht das Miteinander, was die Beteiligten behindere, anstatt ihnen zu helfen. Commons versuchen hingegen ein system zu etablieren, welches den Menschen zuträglich ist, ihnen bei der Bewältigung ihres Alltags hilft. Aber wie können sie kooperieren? Bei den Commons gehe es um neue soziale Praktiken, die sich der scheinbar allgegenwärtigen Marktlogik entziehen, dauerhaft und auf Augenhöhe: peer-to-peer.
Das kann praktisch die Wasserentnahmeregel für einen Brunnen sein, die dauerhaft funktioniert und niemanden benachteiligt, so dass sie allen zuträglich ist. Für Commonisten ist Knappheit gemacht. Zwar wären Ressourcen endlich, aber man können so damit umgehen bzw. Regeln hierfür entwickeln, dass sie auch morgen noch zur Verfügung stehen – der Übergang oder die Überleitung in die Nachhaltigkeit. Übertragen lässt sich dieses Prinzip auch auf den Software-Bereich – aus dem Copryrigt wird dann schnell das Copyleft.
Elisabeth Voß schärfte anschließend nochmal den Blick für die Commons Idee in ihrem Vortrag „Alles so schön offen hier: Nichtkommerzialität – Selbstorganisation – Selbstausbeutung?“ und setzte sie von Ansätzen des kollaborativen Konsums ab, denn es gehe um „beitragen, nicht teilen.“ Die sog. Shareconomy meine ein anderes Teilen, als den Verzehr gemeinschaftlich – qua Commons – erzeugter Güter und verwies hierzu auf einen Artikel aus „Le Monde diplomatique“ mit dem Titel „Teilen – ein super Geschäftsmodell“ von Martin Denoun und Geoffroy Valadon (von Oktober).
Anschließend wurde es praktisch – zehn Projekte aus der Commons-Kultur stellten sich im Rahmen einer Ausstellung “Wir fangen dann schon mal an …” vor: Mit Dingfabrik, NeuLand Köln, dem hier bereits thematisierten freifunk KBU und anderen mehr. Abends waren Commons als Reaktion auf ökologische, wirtschaftliche und soziale Probleme Thema sowie Commonie als nachhaltiger Lifestyle.
Um „Open Educational Resources (OER)“ – also offene Bildungsinhalte – ging es zu Beginn von Tag zwei. Es ist noch längst nicht selbstverständlich, dass Lehrmaterialien kostenfrei im Netz zur Verfügung stehen. Die Unsicherheiten sind groß. Raimond Spekking (Wikipedianer, Softwareentwickler, Dozent, Fotograf) fragte sich: Woran liegt das? Was können Bildungseinrichtungen tun, um ihren Schülern / Studenten einen freien Zugang zu Wissen zu ermöglichen? Welche jruistischen Hürden gilt es zu überwinden, welche wirtschaftlichen Interessen von Verlagen sind zu beachten? Und wie verlässlich ist das frei zugängliche Wissen im Netz? Wer ist für den Inhalt verantwortlich? Welche Probleme ergeben sich aus der Vielzahl von Autoren? Und welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Fragen über Fragen – nicht alle konnte er beantworten, aber viele. Er erklärte u.a., wie richtig zitiert wird und wann ein Angebot kommerziell ist – ob Werbung geschaltet ist, kann z.B. als Indiz herhalten. Zum Abschluss verwies er auf eine aktuelle Borschüre der Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) von John Weitzman: „Offene Bildungsressourcen (OER) in der Praxis“.
Moritz »mo.« Sauer versuchte sich anschließend daran, die Video-Plattform „YouTube als Lernplattform“ vorzustellen – „die (heimliche) digitale Allmende“. Schnell wurde klar: Zwar kann YouTube bei konkreten Problemlösungen unterstützen – Bespannen eines Webrahmens, Erlernen eines Patentstrickmusters oder Programmiertechnicken -, für die systematische Wissensaneignung eignet es sich allerdings nicht, etwas das Erlernen einer Sprache. Mitorganisator Frank Christian Stoffel, Purer Luxus e.V., verdeutlichte: „Also da kommt man um den VHS Kurs eigentlich nicht herum.“
Anschließend wurde es nochmal weltanschaulich, Netlabels und Urheberrechte waren Thema und zum Schluss ein launiges Commons Jeopardy.
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