Teilen ist das neue Haben

Im Bereich grüner Lebensstile tut sich derzeit eine neue Zauberformel auf, die zusammenbringt, was nach Meinung vieler Nachhaltigkeitsexpert/-innen nicht zusammengehört: Konsum und gutes Gewissen. Das Stichwort lautet hierbei „Collaborative Consumption“ (dt. gemeinschaftlicher Konsum) und bezeichnet die kollektive Nutzung von Gebrauchs- und Alltagsgegenständen wie Autos, Kleidung und Werkzeug, die unter dem Motto „Nutzen statt Besitzen“ über entsprechende Plattformen im Internet getauscht, geteilt, verliehen oder auch verschenkt werden können.
Bei aller berechtigten Begeisterung für diese Trendwende in der Konsumkultur wird mitunter vergessen, dass die Ideale von gemeinschaftlicher Nutzung und/oder Wiederverwertung keineswegs gänzlich neu sind: Schon die Generation unserer Eltern trieb sich – aus Geldnot oder aus Prinzip – in Tauschbörsen oder Secondhandläden herum, lieh sich die Borhmaschine vom Nachbarn oder übernachtete auf der Couch von Verwandten und Bekannten.

Wesentlich erleichtert werden diese Tauschgeschäfte jedoch im Internet-Zeitalter, denn über soziale Netzwerke lässt sich das passende Produkt für die eigenen Bedürfnisse samt einer Liste möglicher Anbieter/-innen in Sekundenschnelle ermitteln.  Facebook, Twitter und Co haben darüber hinaus eine neue Kultur des Teilens initiiert, die im Hintergrund der beschriebenen Phänomene steht. Statt Geld wird hierbei jene Vertrauenswürdigkeit zum zentralen Tauschmedium, die sich über die Sternchen, Punkte oder Prozente verschiedenster Bewertungsportale akkumulieren lässt.

Dass dieses Potential nicht nur zum Geldsparen oder der Erleichterung des Alltags, sondern auch im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt werden kann, sollen einige der folgenden Linktipps zeigen:

Für Allesfresser: Über Tauschbörsen wie Tauschticket oder Netcycler kann so gut wie alles getauscht und/oder verkauft werden – vom Kinderwagen über Video-Spiele bis hin zur Kefir-Pilz-Kultur. Ein wenig anders funktioniert frents, das sich seit 2010 nach dem Facebook-Prinzip als „soziales Netzwerk für Sachen“ behauptet.

Für Vielfahrer: Nach wie vor gehört das Verkehrswesen zu den zentralen CO2-Verursachern – allein in Deutschland stammen laut Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit knapp 20% der Treibhausgasemissionen aus dem Verkehrssektor. Wer trotzdem nicht auf das Auto verzichten kann oder möchte, kann der Umwelt durch Mitfahrgelegenheiten und private (oder gewerbliche)  Carsharing-Portale wie Autonetzer und  tamyca einen Gefallen tun

Für Modebewusste: Mittlerweile ist das Secondhand-Prinzip auch äußerst erfolgreich im Internet angekommen, z.B. im sozialen Netzwerk Kleiderkreisel. Gerade in Sachen Mode gibt es aber auch in der analogen Welt jede Menge Möglichkeiten, um  Kleidung oder Accessoires zu tauschen und zu leihen, etwa auf Kleiderausch-Parties oder in Leihläden wie der Hamburger Kleiderei

Für Selbermacher: Die Wenigsten von uns sind stolze Besitzer/-innen einer Diamantkettensäge oder eines Elektrotackers. Wenn man solcher Gerätschaften aber doch einmal bedarf, kann man sie z.B. über Mietprofi oder Rentas mieten bzw. leihen. Wer einfach nur einmal eben eine Bohrmaschine braucht, kann entweder frents befragen oder einen sogenannten „Leihladen“ aufsuchen, wie es ihn seit Kurzem in Berlin gibt.

Für Naturfreunde: Ein eigener Garten bedeutet in der Regel jede Menge Arbeit, die man verringern kann, wenn man ihn gemeinschaftlich bewirtschaftet. Viel ausschlaggebender für den Trend zum Gemeinschaftsgarten wie er in NRW z.B. bei NeuLand in Köln oder im obsthain grüner weg zelebriert wird, dürften jedoch die Möglichkeiten zur nachbarschaftlichen Begegnung sein. Im Internet kann man sich auf meine ernte ein Beet mieten.

Für Nimmersatte: Seit Ende letzten Jahres ist die durch Crowdfunding finanzierte Plattform Foodsharing online, über die Privatpersonen, Händler und Produzenten nach der Devise „Verwenden statt Verschwenden“ Lebensmittel spenden und verschenken können.

Bei vielen dieser Angebote scheint der Mehrwert in Sachen Nachhaltig auf der Hand zu liegen: Wenn nur eine/-r kauft und dafür viele andere tauschen, teilen oder leihen, dann spart das vornehmlich jene Energie und Ressourcen, die in Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf und vor allem Entsorgung neuer Produkte fließen. Dabei sollte jedoch nicht übersehen werden, dass beispielsweise das Versenden von Tausch- und Leihgegenständen aus dem Internet wiederum Ressourcen verbraucht. Eine Lösung hierfür bietet beispielsweise der Leihladen in Berlin, in dem man vor Ort und ohne allzu weite Wege an Gegenstände herankommen kann.

Ebenso wichtig wie das Potenzial zur Ressourcenschonung ist jedoch der Einstellungswandel, der an die neuen Formen des Konsums geknüpft ist: Statt vieles – in den meisten Fällen viel zu vieles – zu besitzen und in letzter Konsequenz wegzuwerfen, nutzt man lieber die vorhandenen Ressourcen effizienter. Während einige damit einen  bewussten und aktiven Beitrag zu mehr sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit leisten wollen, geht es anderen möglicherweise in erster Linie ums Geldsparen oder einen flexibleren Lebensstil – die Umwelt allerdings bedankt sich so oder so.

Einen grundsätzlichen Ausweg aus der Konsumgesellschaft bietet die Shareconomy jedoch nicht, ganz im Gegenteil: Die grenzenlosen Möglichkeiten des Tauschens und Teilens im World Wide Web propagieren zwar ein Weniger an Besitz, das jedoch nicht automatisch ein Mehr an Verzicht bedeutet, wie auch Kerstin Bund in der ZEIT betont: Die neuen kollektiven Konsumenten „wollen alles haben, aber nicht alles kaufen. Sie wollen auf nichts verzichten, aber nicht alles auf Dauer besitzen. Sie konsumieren nicht weniger, aber anders.“
(Nachweis: http://www.zeit.de/2011/51/Meins-ist-Deins)

Linkliste:

http://www.collaborativeconsumption.com/index.php
http://www.boell.de/oekologie/marktwirtschaft/oekologische-marktwirtschaft-studie-nutzen-statt-besitzen-15926.html

http://www.nabu.de/themen/konsumressourcenmuell/konsumierenundwirtschaften/nutzenstattbesitzen/

http://reset.to/act/meins-ist-deins-gemeinschaftlicher-konsum

http://www.zeit.de/2011/51/Meins-ist-Deins

http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/shareconomy-geld-verdienen-mit-tauschangeboten-a-882302.html

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