„Wir wollen aber nicht nur ein nettes Spiel. Es soll Diskussionen anregen und Verständnis für die komplexen Beziehungen zwischen menschlichen Einflüssen und Ressourcen schaffen.“ Andreas Werntze im Gespräch über das Serious Game ‚LandYOUs‘

Mit dem Online-Simulationsspiel LandYOUs macht das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die Grundlagen nachhaltiger Landnutzung für junge Menschen erfahrbar. Andreas Werntze ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am UFZ in Leipzig und erklärt im Gespräch mit NRW denkt nach(haltig), welche Überlegungen der Entwicklung des Spiels zu Grunde liegen und welche Erfahrungen bisher beim Einsatz in der Bildungsarbeit mit Schüler(inne)n und Studierenden gemacht wurden.

Andreas Werntze, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig

Andreas Werntze, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig

Warum hat sich das UFZ entschieden, das Thema Landnutzung als Computerspiel aufzubereiten?
Das Spiel ist im Rahmen des Förderprogramms „Nachhaltiges Landmanagement“ entstanden, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und noch bis Ende 2016 läuft. Mit dabei sind Projekte auf der ganzen Welt – vom nachhaltigen Reisanbau auf den Philippinen bis zur landwirtschaftlichen Flächennutzung in Sibirien. Innerhalb dieses großen Förderprogramms sind wir in Leipzig für die wissenschaftliche Koordination und die Synthese des Wissens aus den zwölf fachspezifischen Projekten zuständig. Dazu gehört auch durch Öffentlichkeitsarbeit Sichtbarkeit für die Forschung im Programm zu schaffen. Dafür haben wir LandYOUs entwickelt, um einen Transfer des wissenschaftlichen Wissens in die allgemeine Öffentlichkeit und hin zur Umweltbildung zu schaffen.

Natürlich haben wir eine ganze Reihe von Printprodukten, in denen man alles über die beteiligten Projekte des Förderprogramms nachlesen kann, aber wir wollten den Leuten nicht nur eine Broschüre in die Hand drücken oder Vorträge halten. Da erschien uns ein PC Spiel als neu und innovativ in diesem Bereich. Es ist letztendlich ein interaktives Tool.

In Computerspielen kann man komplexe Zusammenhänge schnell für verschiedene Zielgruppen verfügbar und interessant machen. Gerade Landmanagement ist ein kompliziertes Gefüge. Da hätten wir zwar lange Artikel schreiben können, aber sahen im Spiel die Chance viel eher ein Interesse zu wecken. Wichtig ist uns, dass man nicht nur des Spielens wegen motiviert wird, sondern dass das Spiel vor allem beim Einsatz in Schule und Studium Diskussionen anschiebt, die den realweltlichen Kontext der Spieler(innen) betreffen.

Startoberfläche des LandYOUs Spiels. (c) UFZ

Startoberfläche des LandYOUs Spiels.
(c) UFZ

LandYOUs ist ein „Serious Game“, das heißt es verfolgt klare Lernziele und möchte ein Bewusstsein für das komplexe Thema Landnutzung schaffen. Es macht aber trotzdem Spaß und lässt dem Spieler viel Experimentierfreiheit. Das Spiel gibt nämlich keine Geschichte vor, so wie das Rollenspiele machen, und es hat auch nichts Oberlehrerhaftes. Es ist auch kein kommerzielles Spiel.

LandYOUs wurde mit öffentlichen Geldern entwickelt und kann deswegen nicht mit den kommerziellen Projekten verglichen werden, bei denen es überall bunt blinkt. Aber: Es hat schon ein bisschen Suchtpotential. Erst waren wir skeptisch, ob es den Nerv der Zeit trifft. Aber im Versuch haben wir gesehen, dass dieser Unterschied zu kommerziellen Spielen gar keine so große Rolle spielt. Dafür ist LandYOUs leicht und frei zugänglich. Als bei der Bonner Wissenschaftsnacht eine Mutter ihren Jungen vom Spiel losreißen wollte, hat er gefragt, wo es das Spiel zu kaufen gebe. Da war natürlich die Freude groß, dass es kostenlos verfügbar ist.

Wie bildet LandYOUs das Thema Landnutzung als Spiel ab?
Der grundlegende Ansatz war es, die drei Nachhaltigkeitssäulen Ökologie, Soziales und Ökonomie einzubeziehen. Das Spiel stellt die Frage, wie man Umweltqualität, land- und forstwirtschaftliche Erträge und Lebensqualität so beeinflusst, dass man über zehn Runden eine ausgewogene Entwicklung mit den vorhandenen Ressourcen erreicht.

Beim Begriff „Ressource“ denken wir immer schnell an Öl, oder allgemein an fossile Rohstoffe, aber wir wollen in dem Spiel zeigen, dass auch Land eine Ressource ist. Die Produktion von Nahrungsmitteln, der Umweltschutz, die Biodiversität, vorhandener Wohnraum für wachsende Bevölkerung etc., all das erzeugt einen erheblichen Druck auf die Ressource Land. Diese komplexen Prozesse, bildet LandYOUs ab.

Die großen Abhängigkeiten werden dabei sehr schnell deutlich. Man kann nicht einfach nur in Agrarförderung investieren, um möglichst viel Geld zu verdienen, sondern man muss alle Bereiche berücksichtigen. Bildung ist dabei ein Parameter, der sehr viel Einfluss hat, da wir unterstellen, dass Bildung sich positiv auf Konsumverhalten und damit auch auf Lebensqualität auswirkt. Wir haben zusätzlich zu den fünf Stellschrauben (Naturschutz, Bildung, Stadtentwicklung, Agrarförderung und Aufforstung) auch eine ständig variierende Weltmarktpreisschwankung eingebaut. Man muss die Preisentwicklung im Spiel beobachten, um die Investition richtig zu tätigen.

Welche Schwierigkeiten mit dem Spiel haben sich in den Testphasen gezeigt?
Schwierig ist die ganzheitliche Herangehensweise, da das ganze Abhängigkeitsgeflecht sehr komplex ist. Wir haben oft Rückmeldungen bekommen, dass gewisse Zusammenhänge nicht sinnvoll erscheinen oder erwartete Auswirkungen über alle Runden hinweg nicht eingetreten sind. Gerade Studenten hinterfragen das Modell schnell. Da haben wir nachgesteuert, um die Abbildung im Spiel realistischer zu machen. Nur wenn ein Spiel realistisch und nicht nur exemplarisch ist, kann es auch in Bereiche jenseits des Spiels weiter getragen werden und sein Ziel des Wissenschaftstransfers wirklich erfüllen. Das haben wir mittlerweile auch alles in einem wissenschaftlichen Artikel dokumentiert.

Das Spiel ist ja nicht nur online spielbar, sondern es wird immer wieder auf Veranstaltungen eingesetzt. Welche Erfahrungen haben Sie im Praxistest gemacht?
Wir haben das Spiel im vergangenen Jahr auf verschiedenen Veranstaltungen wie der Bonner Wissenschaftsnacht, der Langen Nacht der Wissenschaft in Leipzig oder beim „Maus-Tag“ in Bonn vorgestellt. Generell kann man sagen, dass das Spiel sehr positiv angenommen wurde und das von einer großen Alterspanne, die von 8 bis 80 reicht. Unsere Zielgruppe ist aber eigentlich schon schulisch und studentisch.

Präsentation des LandYOUs Spiels bei der Wissenschaftsnacht Bonn 2014. (c) DLR-PT/UFZ

Präsentation des LandYOUs Spiels bei der Wissenschaftsnacht Bonn 2014.
(c) DLR-PT/UFZ

Wir wollen aber nicht nur ein nettes Spiel. Es soll Diskussionen anregen und Verständnis für die komplexen Beziehungen zwischen menschlichen Einflüssen und Ressourcen schaffen. Natürlich gibt es auch Leute, die nur in der Highscore-Liste nach oben kommen wollen. Es entwickeln sich bei den Veranstaltungen aber tatsächlich schnell Gespräche, z.B. darüber dass das Thema Landnutzung viel mehr Aspekte als nur Land- und Forstwirtschaft umfasst.

Anfang 2015 haben wir das Spiel auch auf der didacta in Hannover vorgestellt. Da sind wir zwar nur ein kleines Licht auf einer großen Messe, aber es war unser Anliegen mit Verlagen ins Gespräch zu kommen, die das Spiel nach Förderende weiter tragen könnten. Zwar können wir LandYOUs nach 2016 online verfügbar halten, aber mit dem Spiel nicht mehr in Schulen oder auf Veranstaltungen gehen, da das Projekt und damit die Fördermittel zum Ende kommen. Da wäre es schön, wenn man eine andere Institution dafür gewinnen könnte.

Gibt es eine didaktische Begleitung für Interessierte, die das Spiel in der eigenen Bildungsarbeit verwenden wollen?
Wir haben Projektpartner an der Universität Halle, die Lehrmaterialien für Schulen und studentische Gruppen entwickeln, aktuell zusammen mit dem Klett Verlag. Man geht ja mittlerweile weg vom traditionellen Frontalunterricht hin zum aktiven Einbezug der Lernenden. Das wollen wir auch. Leider werden wir für die Veröffentlichung der Materialien noch bis Ende des Jahres Zeit brauchen. Viele Anfragen nach solchen Materialien gibt es bereits.

Und wie geht es jetzt weiter?
Tatsächlich haben wir noch viele Ideen. Aufgrund der auslaufenden Förderung können wir diese aber zurzeit nur bedingt umsetzen. Eine der interessantesten Ideen ist dabei, das Spiel um einen Multiplayer Modus zu erweitern. Das heißt, in einer Schulklasse könnten mehrere Schüler aus der Sicht verschiedener Länder spielen, die über einen globalen Agrarmarkt verknüpft sind. So könnte man die Erfahrung machen, wie man als kleineres Land unter unvorteilhaften Weltmarktpreisen leidet und andere davon profitieren. Das ist nahe am Leben: Wenn ich hier z.B. Soja kaufe, bedeutet das, dass in Brasilien Flächen zum Sojaanbau genutzt werden müssen und dafür Wald weichen muss. Ideen gibt es viele, aber zurzeit fehlen uns da einfach die Mittel.

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