„Wir wollen zeigen, was von diesem Kontinent kommt“ – Davina Donaldson und Christine Link (Exile e.V.) im Gespräch über das Projekt „Gesichter Afrikas“

Das Projekt „Gesichter Afrikas“ der Exile Kulturkoordination e.V. aus Essen wird in unserem Themenspecial „Nachhaltig Zusammenleben“  sowie als Projekt der Woche bei NRW denk nach(haltig) vorgestellt. Die Projektleiterin Christine Link und die stellvertretende Projektleiterin Davina Donaldson beantworten Fragen zum Bildungskonzept hinter dem Projekt, Erfahrungen mit Vorurteilen gegenüber Afrika sowie aus ihrer Arbeit am neuen Themenschwerpunkt „Kolonialismus und Neokolonialismus“.

Das Team von Exile Kulturkoordination e.V. mit Davina Donaldson (Zweite von links oben) und Christine Link (Zweite von links unten)

Das Team von Exile Kulturkoordination e.V. mit Davina Donaldson (Zweite von links oben) und Christine Link (Zweite von links unten)

Das Projekt „Gesichter Afrikas“ wurde sowohl 2009/2010 als auch 2011/2012 als BNE-Dekadeprojekt gefördert. Wie verstehen Sie in Ihrer Arbeit den Begriff der Nachhaltigkeit?

Davina Donaldson: Nachhaltigkeit in unserer Bildungsarbeit verstehen wir in zwei Formen. Zum einen in Form von Kooperationen. Das heißt, wir versuchen die Kontakte, die wir z.B. an Schulen herstellen auch in nachhaltige und langfristige Angebote umzusetzen.  An der Frida-Levy-Schule in Essen, zum Beispiel, hat unser Referent Lutz von Dijk ein Projekt zum Thema HIV/Aids gemacht,  in welchem er von seiner Arbeit im Projekt HOKISA berichtet. Sein Buch Township Blues, das er zu diesem Thema geschrieben hat, wurde in den Kanon der 9. Klasse aufgenommen und damit intensiv weiter bearbeitet. Auch für Lehrer(innen) bieten wir verschiedene Workshops zu entwicklungspolitischen Themen an, z.B. zu Fremdenfeindlichkeit in Südafrika am Beispiel des Romans Romeo und Jabulile. Hierbei ging es uns darum, mögliche Ursachen für Fremdenfeindlichkeit in Südafrika im Kontext seiner Geschichte zu beleuchten und zu erarbeiten, wo es Parallelen und Unterschiede zu Deutschland gibt. Zielsetzung dessen war, Lehrer(innen) zu ermöglichen auf dieser Grundlage das Thema im Unterricht aufzugreifen und mit unseren Unterrichtsmaterialien arbeiten zu können. Es geht also um Langfristigkeit und eine Zusammenarbeit mit der Option auf Ausbau und Intensivierung.

Zum Zweiten liegt Nachhaltigkeit in unserem Projekt auch in der Kombination unserer Webseite – www.gesichter-afrikas.de – und den direkten Begegnungen. Die persönlichen Begegnungen ermöglichen den Schüler(inne)n, unmittelbar Fragen an unsere Referent(inne)n zu stellen. Zum Beispiel unser Referent Denis Goldberg war selbst Anti-Apartheit-Kämpfer. Ein solcher Zeitzeuge macht das Ganze für junge Menschen langfristig wirkender. Direkte Begegnungen mit authentischer und kompetenter Vermittlung werden erfahrungsgemäß eindrucksvoller erlebt als eine „reine“ Wissensvermittlung und ermöglichen es den Schüler(inne)n Vielfalt zu erkennen und Vorgänge des globalen Wandels gemeinsam mit den Referent(inn)en oder im Anschluss an die Veranstaltung zu analysieren. Dies zielgruppenorientierte Sensibilisierung soll eine kritische Reflexion anstoßen und jungen Menschen dazu befähigen und ermutigen, übernommene Denkmuster aufzubrechen und eigene Standpunkte zu globalpolitischen Themen einzunehmen. Das ermöglicht eine nachhaltigere Form des Lernens als einfach nur Informationen bereit zu stellen.

Sie engagieren sich mit dem Projekt dafür vor allem bei jungen Menschen, negative und stereotype Vorstellungen von Afrika zu verändern. Viele dieser Vorurteile treffen auch Flüchtlinge die nach Deutschland kommen. Auf welche Vorurteile stoßen Sie bei den Teilnehmer(inne)n Ihrer Veranstaltungen und wie werden diese geäußert?

Davina Donaldson: Bei unseren Veranstaltungen, die sich an ein erwachsenes Publikum richten, wirkt das vorhandene Interesse und Vorwissen den meisten möglichen Vorurteilen bereits entgegen. Bei Kindern und Jugendlichen stößt man häufiger auf das Bild Afrikas als einem Komplex: ein einheitlicher Kontinent mit einer einheitlich schwarzen Bevölkerung. Zwischen Ländern, Ethnien und Kulturen wird häufig nicht differenziert. Dieses Bild wird in vielen Bereichen noch weiter gezeichnet, weil Bezeichnungen zu undifferenziert sind und dadurch der Eindruck vermittelt wird, alles könne über einen Kamm geschert werden.

Außerdem stößt man, besonders wenn kaum Vorwissen vorhanden ist, auf das Bild des Europäers in der Rolle des Helfers. In manchen Bereichen besteht natürlich die Notwendigkeit von Hilfe, aber  wir wollen zeigen, was der Kontinent, insbesondere im kulturellen Bereich zu bieten hat und wie vielfältig er betrachtet werden kann. Natürlich tun wir das auch mit unseren Expert(inn)en. Es handelt sich nicht nur um hilfebedürftige Länder und dieses unvollständige Bild wollen wir mit unserer Arbeit ein Stück erweitern.

Das Themenspektrum Ihrer Veranstaltungen ist vielfältig und reicht von Klima über Gesundheit bis hin zu Fairem Handel. Welche Themen sind aktuell in der Vorbereitung bzw. welche Themen werden für Ihre Arbeit in Zukunft wichtiger werden?

Christine Link: Das ist für uns das Thema „Kolonialismus und Neokolonialismus.“ Im Rahmen unseres Projektes soll ein differenzierter und qualifizierter Überblick zum Bereich Kolonialismus und Neokolonialismus in Subsahara Afrika entwickelt werden. Hierzu werden wir anhand einiger Länderbeispiele die Folgen und Bedeutung des Kolonialismus für die jeweiligen Länder bis in die heutige Zeit kritisch hinterfragen und aufzeigen. Eine Sammlung an Unterrichtsmaterialien auf unserer Website ergänzt das Angebot. Das bedeutet für unsere Arbeit, dass wir die Kompetenz zur differenzierten Auseinandersetzung und kritischen Analyse geschichtlicher und kultureller Prozesse befördern wollen.

Generell geht es uns darum, dass so Probleme, die schon da sind sowie aktuelle Fragestellungen wie Rohstoffe, „land grabbing“ und Migration mit Kolonialismus und Neokolonialismus in Bezug gesetzt und damit erklärt und erweitert werden können. Beim Beispiel Rohstoffkonflikte geht es also darum, zu fragen, wie es überhaupt dazu kam, dass diese Konflikte entstanden sind. Und damit wird unser bisheriger Schwerpunkt erweitert. Unsere nächste Veranstaltung zu diesem Themenschwerpunkt wird die Veranstaltung „Mali nach der Intervention 2013“ am 5. Dezember in Düsseldorf sein. Geplant ist hier eine Podiumsdiskussion mit drei Input Themen. Das ist einmal die Geschichte Malis und Vorstellung der „Spaßverwandtschaft“ als traditionelles System zur Konfliktvermeidung und zweitens die Analyse des Konflikts, der zur französischen Militärintervention 2013 führte, speziell mit Blick auf die koloniale Vergangenheit und daraus resultierende Probleme und drittens die Arbeit von Friedens-Initiativen vor Ort.

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