Alles im grünen Bereich? Ökologisch nachhaltige Mediennutzung

Rund 50 Expertinnen und Experten diskutierten im BASE_camp der E-Plus Gruppe zum Thema ökologisch nachhaltige Mediennutzung - Bildquelle: epd

Rund 50 Expertinnen und Experten diskutierten im BASE_camp der E-Plus Gruppe zum Thema ökologisch nachhaltige Mediennutzung – Bildquelle: epd

Ein Gastbeitrag von Jutta Croll und Sven Weber (beide Stiftung Digitale Chancen)

Was versteht man unter ökologisch nachhaltiger Mediennutzung, kann Mediennutzung überhaupt nachhaltig sein und wenn ja, was ist zu tun, damit Menschen in ihrem persönlichen Mediennutzungsverhalten Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich unter Moderation von Prof. Dr. Herbert Kubicek rund 50 eingeladene Expertinnen und Experten beim sechsten UdL Digital Roundtable „Alles im grünen Bereich? Ökologisch nachhaltige Mediennutzung“, der von der Stiftung Digitale Chancen in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und dem Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik sowie dem NABU und der E-Plus Gruppe am 27. Juni 2012 im Base_camp veranstaltet wurde.

Der ehemalige Landesbischof der EKD, Dr. Johannes Friedrich verwies in seinem Vortrag zum Einstieg in die Veranstaltung auf den hohen Stellenwert, der aus christlicher Sicht der Bewahrung der Schöpfung eingeräumt werden müsse. Es gebe unverfügbare gesellschaftliche Werte, die im Leben des Einzelnen und der Gesellschaft zum Tragen kommen müssten: „Dafür muss man sie ausbuchstabieren und für die jeweiligen Lebensbereiche übersetzen“ erklärte Friedrich. „Wir wissen nun, was Nachhaltigkeit in Bezug auf den Umgang mit der Schöpfung bedeutet: Wind-, Wasser-, und Sonnen-Energie statt Atomkraft. Was heißt aber Nachhaltigkeit für die Internetnutzung? Für mich geht es hier nicht nur um Technik, sondern auch um Mediennutzung.“

Lars Gräßer, Mitarbeiter am Grimme Institut und – zusammen mit Friedrich Hagedorn – Herausgeber des Buches „Medien nachhaltig nutzen – Beiträge zur Medienökologie und Medienbildung“, griff diese Frage auf und führte aus, dass die Ökologiemetapher bereits auf die digitale Welt übertragen wird. Es sei zu klären, inwieweit nachhaltige Mediennutzung als eine weitere Dimension der Medienkompetenz begriffen werden müsse.

In der Onlinedebatte unter www.alle.de/diskussionen, die der Veranstaltung vorausgegangen war, wurde deutlich, dass ein erhebliches Wissensdefizit in der Bevölkerung darüber besteht, wie ‚grün‘ Produkte tatsächlich sind. 65,9 % der Teilnehmenden stimmten der Aussage zu „Ich habe keine Ahnung, wie grün Produkte und Anwendungen, die ich nutze, tatsächlich sind“. Selbst bei vorhandenem Interesse ist ein erhebliches Informations- und Aufklärungsdefizit zu verzeichnen. Dienste wie das NABU-Handy-Ranking, das online darüber informiert, wie grün ein Handy tatsächlich ist, können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Sie werden aber bisher nur wenig genutzt, ebenso wie Rückgabeboxen für alte Handys. Nennenswerte Nachhaltigkeitseffekte sind damit noch nicht zu erzielen.

Das gering entwickelte Nachhaltigkeitsbewusstsein der Verbraucher war ein Gegenstand vieler Beiträge zur Onlinedebatte, der auch im Roundtablegespräch aufgegriffen wurde. Bewusster Medienkonsum ist laut Sabria David vom Slow Media Institut die Voraussetzung für nachhaltige Mediennutzung, denn nur so sei garantiert, dass Medienkonsum nicht sinnlos Ressourcen verschwendet. Auch Karsten Zimmermann, Senior Manager Corporate Social Responsibility der Deutschen Telekom, identifizierte neben den großen Innovationssprüngen in der IKT-Branche vor allem die mangelnde Motivation und die Bequemlichkeit der Durchschnittsbevölkerung, ein grünes Produkt zu erwerben, als ein wesentliches Hindernis zu mehr Nachhaltigkeit im IKT-Bereich. Während eine Waschmaschine Platz wegnehme und aufgrund der Größe im Bewusstsein der Menschen bliebe, könne ein gebrauchtes Mobiltelefon einfach jahrelang in der Schublade aufbewahrt werden. Dass laut einer Studie des BITKOM 83 Millionen alte Handys in den Schubladen der Deutschen lagern, scheint somit kaum verwunderlich.

Hilmar Möhlmann, Leiter des Bereichs Mobilfunk und Umwelt bei der E-Plus Gruppe, verwies in diesem Zusammenhang darauf, wie schwierig es sei, die richtigen Anreizmechanismen für das Recyceln von Handys zu finden. Wenn man kommuniziere, dass sich in den Geräten aufgrund der seltenen Erden ein kleiner Schatz befände, könne das auch die Sammlermentalität befördern und sich damit negativ auf die Bereitschaft, das Altgerät zurückzugeben, auswirken.

Die Frage, wie mit gebrauchten Handys zu verfahren sei, wurde kontrovers diskutiert. Uta Mühleis von der Informations- und Kommunikationsplattform Reset schlug vor, die Handys nach Afrika zu schicken, damit sie dort weiter genutzt werden könnten. Alexander Hain von Chariteam bestritt den positiven Effekt, auch in Afrika sei nicht klar, was mit den Handys geschehe. Es sei möglich, so Hain, dass die Handys dort unter schlechten Arbeitsbedingungen recycelt bzw. unzureichend entsorgt statt benutzt würden und so ganzheitlich ein negativer Reboundeffekt einträte.

Marina Köhn vom Umweltbundesamt widersprach mit einem anschaulichen Beispiel der Annahme, dass der Kauf eines neuen Produktes im Hinblick auf Ressourcenschonung sinnvoll sei: Bei einem um 10 Prozent geringeren Stromverbrauch des Neugerätes müsste dieses 90 Jahre lang benutzt werden, um den hohen Ressourcenverbrauchs bei der Herstellung des Notebooks zu kompensieren. Es sei daher geboten, neue Vertriebsmodelle zu entwickeln und subventionierte Endgeräten in Frage zu stellen. Mike Cosse, Leiter Unternehmenskommunikation und Politik der E-Plus Gruppe, wies darauf hin, dass es bereits in großem Umfang Notebook-Sharing-Angebote gebe. Miet- und Sharing-Modelle würden in Zukunft weitaus üblicher sein werden, als dies gegenwärtig noch der Fall ist, so Cosse, der mit dem großen Nachhaltigkeitspotenzial von Cloud-Computing ein weiteres Thema anschnitt.

Bildquelle: epd

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Cloud-basierte Internetdienstleistungen könnten nach Ansicht einiger Diskussionsteilnehmer dazu führen, dass leistungsschwächere Endgeräte verwendet werden und so ein positiver Umwelteffekt eintrete. Energieeffizientere Rechenzentren oder die von E-Plus komplett mit regenerativen Energien betriebenen Mobilfunkmasten lassen erkennen, dass der Energieverbrauch der IKT-Produkte nicht weiterhin exponentiell ansteigen muss. Die hohe Redundanz gespeicherter Daten in der Cloud und das Hin- und Herbewegen großer Datenmengen können jedoch auch gegenteilige Effekte erzeugen. Lars Gräßer verwies daher darauf, dass – auch angesichts wachsender Datenmengen – die aus der Datenschutzdebatte bekannten Idee der Datensparsamkeit in die ökologische Debatte integriert werden müsse.

Dr. Bernd Sörries von Forschungsstelle für Mobiles Breitband an der Uni Münster verwies auf die Ergebnisse seiner Studie „Mobilfunk und Nachhaltigkeit“, in der er untersuchte, wie die Netzbetreiber in Deutschland auf den Klimawandel reagieren. Neben der Analyse von Maßnahmen zur Verringerung des Stromverbrauchs wurden auch mobilfunkbasierte Anwendungen im Energie-, Verkehrs- und Gesundheitssektor im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung sowie die Aktivitäten der Netzbetreiber bezüglich Nachhaltigkeit im Endkundenmarkt betrachtet. Sörries erklärte, dass die Netzbetreiber mit ihren Geschäftsmodellen bereits auf dem richtigen Weg seien, gleichwohl bestehe noch Optimierungspotenzial. Hierbei könne der Staat durch geeignete Rahmenbedingungen gewisse Anreize setzen.

Prof. Dr. Herbert Kubicek äußerte am Ende der Veranstaltung die Hoffnung, dass es sehr wohl möglich sei, gewohnte Nutzungsmuster und Verhaltensweisen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu durchbrechen. Er betonte zugleich, dass dazu auch die Industrie gefordert sei, Vertriebsmodelle zu entwickeln die sowohl wettbewerbsfähig und nachhaltig sind. Er wies darauf hin, dass neben den Aspekten der ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeit, die in der Diskussion im Vordergrund standen, auch die soziale Nachhaltigkeit eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe sei. In der Vermittlung dieser Werte habe die Kirche eine lange Tradition, weshalb es nur folgerichtig sei, dass die EKD Partner dieses Roundtables ist.

Landesbischof a. D. Dr. Johannes Friedrich griff diesen Gedanken auf und ergänzte, dass er in der Gemeindearbeit Ansätze für die Vermittlung des Themas sehe, so sei z. B. im Konfirmandenunterricht die Nutzung des Handys regelmäßiger Gesprächsgegenstand und der Kontakt zu den Jugendlichen per E-Mail schon eine Selbstverständlichkeit. Hier könnten auch künftige Projekte und Maßnahmen anknüpfen, um die Idee der nachhaltigen Mediennutzung weiter in der kirchlichen Arbeit zu verankern. Abschließend erklärte Friedrich, dass das Internet ein gutes Instrument für sozial nachhaltiges Handeln darstellt, bevor er die Preisträger 2012 des EKD-Internet-Award „WebFish“ verkündete.

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Bereits zum 16. Mal zeichnen die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und ihr Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) damit herausragende christliche Online-Angebote aus. Der goldene WebFish 2012 geht an „soziale-berufe.com“, das Internetportal des Diakonischen Werkes. Den silbernen WebFish erhält „Die-Nachfolger.de“, ein Projekt für Schülerinnen und Schüler vom Prediger- und Studienseminar der Nordkirche. Den bronzenen WebFish 2012 teilen sich das Erzbistum Hamburg mit der Seite „luebeckermaertyrer.de“ und die württembergische Landeskirche mit „Lieder-vom-Glauben.de“. Den von der Evangelischen Kreditgenossenschaft Kassel gestifteten WebFish-Innovationpreis vergab die Jury an die Internetarbeit der badischen Landeskirche für das „Twittagsgebet“ (twitter.com/twittagsgebet). Die Urteilsfindung der Jury unter Vorsitz des EKD-Ratsmitglieds Landesbischof a.D. Dr. Johannes Friedrich wurde durch ein Online-Voting ergänzt, an dem über 5.000 Online-User teilnahmen.

Mehr Informationen zur Veranstaltung finden sich auch hier.

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