Junge Medienmacher für Nachhaltigkeitsaspekte sensibilisieren
Nur langsam, sehr langsam gelingt es, Aspekte der Nachhaltigkeit aus den Nischen-Ressorts und -Formaten der Medien herauszuholen und für die breite Masse der Medienkonsumenten aufzubereiten – jenseits der schlagzeilenträchtigen Umweltkatastrophen und/oder der üblichen Verbrauchermagazine. Warum? Das kann Davide Brocchi erklären, Sozialwissenschaftler, freier Journalist, Kulturmanager und Dozent an der ecosign Akademie, der sich anlässlich der Präsentation eines Ausbildungsmoduls für (Nachwuchs) „Medienmacher und Nachhaltigkeit“ Gedanken gemacht hat über das schwierige Verhältnis von Medien und Nachhaltigkeit: Der Begriff ist einfach zu komplex und in seiner Definition zu uneinheitlich, was dem trendigen „Greenwashing“ zuspielt. Gemeint ist die Bemühungen von Unternehmen, sich einen „grünen Anstrich“ zu geben.
Der Begriff der Nachhaltigkeit widerspricht in seiner Komplexität einfach den medialen Erfordernissen nach Einfachheit. Schwierigkeiten, Aspekte der Nachhaltigkeit in eine packende, pointierte Geschichte zu verarbeiten – das „storytelling“ – kommen hinzu, ebenso wie die allgegenwärtige Problematik mangelnder (Sende)Zeit, weshalb die komplexen Zusammenhänge etwa von Ökosystemen (und ihren aktuellen Gefährdungen) nur selten Eingang in die Medien finden. Und wenn sie es doch einmal tun, interessiert es zu häufig nur diejenigen, die es eh schon wissen: Das Greenpeace-Magazin lesen vor allem Mitglieder. Die Nachhaltigskommunikation beschränkt sich auf die Umweltbewussten (Bildungsbürger).
Davide Brocchi geht es dabei vor allem um die kulturelle Dimension der Nachhaltigkeit – er befürworte ein Vier-Säulen-Modell, das nachhaltige Entwicklung als einen diskursiven Prozess in dem Viereck Ökologie, Ökonomie, Soziales und Kultur versteht. Kultur bildet für ihn – Emile Durkheim folgend – den „Zement der Gesellschaft“. Und wie sieht er aus, der „Zement der Gesellschaft“? Er besteht momentan im Konsum, also in der Konsumkultur westlichen Vorbilds, den die globalisierten Medien um den gesamten Erdball verbreiten, eingespannt in die ökonomischen Rahmenbedingungen – oder besser: Zwänge – unserer Zeit. Das beschreibt auch die Herausforderungen für die Zukunft: Wie komplexe Inhalte und Hintergründe unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen journalistischen Arbeitens vermitteln? Wie investigativ arbeiten und recherchieren? Wie aus der Selbstreferentialität der Nachhaltigkeitskommunikation ausbrechen, dem Produzieren für diejenigen, die es eh schon wissen?
Antworten darauf zu geben – oder zumindest Teile der von Davide Brocchi aufgeworfenen Fragen –, versucht der Leitfaden bereit zu stellen, den das UNEP/ Wuppertal Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) in Kooperation mit der Grimme-Akademie entwickelt hat: „Was denken, was zeigen, was sagen? Medienmacher und Nachhaltigkeit. Ein Leitfaden für einen Kurs für zukünftige Medienmacher“. Hier werden konkrete Erfolgsfaktoren formuliert – für den Bereich TV, Print und Online. Susanne Müller hat sie vorgestellt, eine Mitautorin der Studie, und didaktische Hinweise für die Inhaltliche Vermittlung gegeben, wie „zukünftigen Medienmacher“ für Aspekte der Nachhaltigkeit sensibilisiert werden können.
Der von Susanne Müller vorgestellte Leitfaden basiert auf einer 2009 durchgeführten und 2010 veröffentlichten Studie zu Möglichkeiten des Mainstreaming von Nachhaltigkeitsaspekten: “Wie kommen Nachhaltigkeits-Themen verstärkt in die Medien?”. Beschrieben wird darin bspw. „Echt Elly“, eine Reality-Show zum Thema Nachhaltigkeit, die vom niederländischen regionalen Bildungskanal ETV.nl ausgestrahlt wurde. „Echt Elly“ war die erste Reality-Show in den Niederlanden, die auf eine Kooperation mit öffentlichen Stellen setzte, um nachhaltiges Konsumverhalten zu fördern (z. B. den Umgang mit Treibstoff, Wasser, Abfall, Strom sowie allgemein mit Gütern und Dienstleistungen). Ergänzend wurden im Rahmen der Kooperation Lehrmaterialien zu nachhaltigem Konsum entwickelt und auf der Website von ETV.nl angeboten bzw. die Sendung nachbereitet. Vorbild für das deutsche TV?
Möglicherweise. Aycha Riffi, von der Grimme-Akademie, sagte es schon in der Einleitung: „Nachhaltigkeitsthemen funktionieren immer dann, wenn sie eher en passant, ganz nebenbei, ohne erhobenen Zeigefinger daher kommen – gerne auch in Reality-Formaten, wo wir sie eher nicht erwarten.“
Das Ausbildungsmodul ist kostenlos als CD erhältlich bei susanne.mueller@scp-centre.org
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