Grobgerippte Körbchenmuscheln und chinesische Wollhandkrabben: eine spannende Veranstaltung über Neozoen im Rhein.

Wie kommt die chinesische Wollhandkrabbe in den Rhein? Wie kommt es, dass räuberische Killerkrebse für Eintagsfliegen und Flohkrebse doch nicht so gefährlich sind, wie bisher angenommen? Was ist ein „Dreissenamonitor“ und warum brauchen wir ihn? Und wie ist die spektakuläre Rückkehr einer sonst nur in Salzwasser vorkommenden Borstenwurmart zu erklären?

Bootshaus des Zoologischen Instituts der Universität zu Köln

Bootshaus des Zoologischen Instituts der Universität zu Köln

Für diese Fragen interessierte sich eine Abiturklasse des Rheingymnasiums Köln, die am 25. September von der Villa Öki in Zusammenarbeit mit dem Zoologischen Institut der Universität zu Köln auf das Bootshaus der Universität eingeladen wurde, die „Ökologische Rheinstation“ zu besichtigen. Die „Ökologische Rheinstation“ wird vom Zoologischen Institut betrieben und finanziert und ist ein einzigartiges schwimmendes Fließwasserlabor linksrheinisch im Hauptstrom des Rheins gelegen mit idealen Arbeitsbedingungen für die Großgewässerforschung. Durch Strömungsrinnen und Apparaturen können pro Stunde mehr als 10 m³ Rheinwasser gepumpt werden, das nach wenigen Sekunden quasi unverändert die Versuchsanlagen im Boot erreicht. Damit ist es möglich geworden, im Fließgewässer Aufwuchsgemeinschaften von Kleinstlebewesen (Biofilme) unter natürlichen Bedingungen anzuzüchten und zu analysieren.

Dr. Armin Kureck erklärt die Rhein-Rinne

Dr. Armin Kureck erklärt die Rhein-Rinne

Die sehr interessierten Schüler wurden zunächst von Dipl. Biologe Dr. Armin Kureck auf das 17 Meter lange Aussenfloß des Bootes geführt und mit den verschiedenen Wirbellosen im Rhein vertraut gemacht. Mittels einer verblüffend einfachen Vorrichtung fängt Dr. Kureck die Kleinstlebewesen aus dem Rhein. Dies funktioniert so: in einer Metallrinne unter dem Floß, die direkt in der fließenden Welle des Rheins hängt, werden Besiedelungs-
kästen mit integrierter Fußmatte eingesetzt, durch die ständig Rheinwasser fließt. Die im Wasser treibenden Tierchen bleiben in der Matte hängen und können unter Verhältnissen untersucht werden, wie sie im Rhein herrschen. Nach der Besichtigung der „Ökologischen Rheinstation“ hielt Dr. Kureck einen sehr anschaulichen Vortrag über „Neue Tierarten im Rhein. Gefährdung oder Bereicherung der Artenvielfalt?“ Als Neozoen bezeichnet man durch Einwirkung des Menschen eingewanderte Tierarten, wie etwa die schon im 19. Jhd. eingeschleppte Zebramuschel oder den zur Zeit dominierenden Kleinkrebs im Rhein, den 1995 eingewanderten Höckerflohkrebs. Seit 1990 hat sich die aus China importierte Körbchenmuschel im Rhein explosionsartig ausgebreitet, so dass heute kein Sandkorn mehr zwischen die 70.000 Individuen passt, die auf einen Quadratmeter anzutreffen sind. Die Tiere sind im Wesentlichen durch das Ballastwasser der Schiffe und den Bau neuer Kanäle, wie etwa den 1992 eröffneten Main-Donau-Kanal, in den Rhein gelangt und haben hier ideale Lebensbedingungen vorgefunden: das Vorkommen einer normalerweise in Salzwasser lebenden Borstenwurmart ist auf die Salzeinleitungen der chemischen Industrie in den Rhein zurückzuführen, die den relativen Salzgehalt des Rheins haben ansteigen lassen; die chinesische Wollhandkrabbe bevölkert den Rhein aufgrund der erhöhten Wintertemperaturen des Rheins. Heute sind ca. 90 Prozent der gefundenen Individuen im Rhein Neozoen und 10 Prozent einheimische Tiere. Der Verdrängungswettbewerb unter den einzelnen Arten ist aber nicht so stark, wie bisher angenommen: beispielsweise ist die Überlebensrate der Eintagsfliegen in einem Gebiet mit Killerkrebsen im Rhein höher als in experimentellen Versuchen. Dies liegt daran, dass die in den Versuchen eingesetzten Bassins viel zu klein waren und die hungrigen Krebse eben fast alle Eintagsfliegen gefressen haben, weil keine andere Nahrung zur Verfügung gestellt wurde. In der Natur ernähren sich die Krebse auch nichträuberisch, so dass die Eintagsfliegen eine höhere Überlebenschance haben trotz Krebse als im Versuch. Allerdings fördert die Globalisierung im Rhein die Durchsetzung von Allerweltsarten und bedroht auf diese Weise die regionale Vielfalt. Das Artenspektrum ist dementsprechend nicht stabil.

In der Vitrinenausstellung gab es dann noch einen sog. „Dreissena-Monitor zu bestaunen, ein biologisches Frühwarnsystem zur Beobachtung der Wasserqualität, das auf den Schutzmechanismus der Muscheln vor Giftstoffen im Wasser aufbaut: die Muscheln filtrieren Nahrung aus dem Wasser. Sobald für sie bedrohliche Stoffe im Wasser sind, schließen sie sehr schnell ihre Schalen, um einer etwaigen Giftwirkung zu entgehen. Um sich dieses Verhalten der Muschel zunutze zu machen, wurden an der Zebramuschel „Dreissena polymorpha“ Sensoren angebracht, die die Anzahl der Schalenbewegungen und den Prozentsatz von offenen Muscheln in einem bestimmten Zeitraum messen. Weichen die Schalenbewegungen bei Auftreten von Wasserschadstoffen vom „Normalverhalten“ ab, wird Alarm ausgelöst. Der „Dreissena-Monitor“ kommt inzwischen an vielen Wasserkontrollstationen in Deutschland und Frankreich zum Einsatz.

Ziel der „Ökologischen Rheinstation“ ist es, neben der Grundlagenforschung auch die Ausbildung von Lehramtskandidaten zu fördern sowie im Rahmen der umweltpädagogischen Ausbildung die Kontakte zu den Schulen der Region weiter auszubauen. Diesen Zweck unterstützt auch der Freundeskreis des Bootshauses und der Ökologischen Rheinstation, der sich für den Erhalt des Bootshauses stark macht.

Interview mit Claudia van Issum und Dr. Gabriele Hahn

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Interview mit Claudia van Issum, Leiterin der Villa Öki und Dr. Gabriele Hahn, Öffentlichkeitarbeit Abwasserforum Köln e.V.

Redaktionsbüro Hahn
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