Eine Vogelexkursion auf Zeche Zollverein
Am Sonntag, den 1.6.2014 fand auf dem Gelände der Zeche Zollverein eine Vogelwanderung mit der Vogelexpertin Frau Brandt vom NABU statt. Veranstaltet wurde die Wanderung von der NABU Regionalstelle Ruhrgebiet und dem Ruhrmuseum.
Es ist meine zweite Vogelwanderung und ich verspreche mir, zahlreiche Vögel zu sehen. Aber unsere großen Erwartungen werden ziemlich schnell gedämpft. Zum einen ist früher Nachmittag, eine Zeit in der Vögel nicht mehr unbedingt wie am frühen Morgen oder in der Abenddämmerung auf dem höchsten Ast sitzen und trällern. Zum anderen ist die Jahreszeit schon fortgeschritten und die Vogelmännchen müssen nicht mehr ständig ihr Revier absingen.
Jedoch sollen auf Zollverein zahlreiche seltene oder im Rückgang befindliche Vogelarten zu sehen sein. Der Steinschmätzer wird genannt, ebenso wie der Wanderfalke und der kleinere Turmfalke.
Zunächst gehen wir zum Auto von Frau Brandt und sehen uns verschiedene Nester an. Ich lerne, dass Amseln und Singdrosseln ihr Nest mehr oder weniger ordentlich mit Lehm auskleiden. Von wegen weiches Nest! Das Moos auf den Nestern ist als Baumaterial wichtig, weil die Eier immer ein wenig feucht sein müssen.
Der kleine Zaunkönig muss seiner Liebsten sogar gleich mehrere Nester anbieten, die er alle mühevoll gebaut hat. Die Angebetete darf sich dann das schönste aussuchen. Die anderen Nester werden manchmal noch als Spielplätze für die lieben Kleinen genutzt.
Der Kleiber hingegen, hat seinen Namen daher, dass er den Eingang zu seiner Bruthöhle auf seine Taille anpasst, indem er den Eingang so weit wie nötig mit Lehm zuklebt. Eine mühevolle aber effektive Arbeit, passend wie Schlüssel und Schloss. Die Grasmücke ist zwar auch klein, ihr Name stammt jedoch aus dem Altdeutsch und bedeutet soviel wie „Graue Schlüpferin“ (Gra = Grau und Smücke = Schlüpferin), weil sie so durch das Gebüsch huscht.
Neben den Nestbeispielen für Vögel, hat Frau Brandt auch ein Nest für Wildbienen dabei. Es handelt sich um einen Ziegelstein mit zahlreichen Löchern darin. Die Wildbienen legen in den Löchern ihre Eier ab und kleben den Eingang vorne wieder zu.
Wir verlassen nun den Parkplatz und begeben uns auf die Wanderung über das Zollverein Gelände. Wer immer noch glaubt, dass der Ruhrpott grau in grau ist, wird hier eines besseren belehrt. Überall summt und brummt und grünt und blüht es. Kurz nachdem der riesige Doppelbock, das Markenzeichen von Zeche Zollverein außer Sicht ist, befinden wir uns in einem dichten Waldgebiet. Den Zilpzalp erkenne sogar ich an seinem Ruf – was nicht so schwer ist bei Vögeln, die so singen, wie sie heißen – aber wie kann ich ihn von einem Fitis unterscheiden, wenn ich beide Vögel sehe? Ich lerne, dass sie unterschiedliche Beinfarben haben. Dafür muss man wohl gute Augen haben und das Glück, das sie vorher nicht im Schlamm standen.
Die Vögel am Gesang zu unterscheiden, finde ich noch schwieriger. Frau Brandt empfiehlt uns, auch auf das Umfeld zu hören. Hört es sich nach Wald oder beispielsweise nach einer Stadt im Hintergrund an? Des Weiteren kann man mit einem so genannten Ting-Stift lernen. Man tippt mit dem Stift auf die Abbildung im Buch und der Ruf des Vogels erklingt. Eine modernere Variante sind Vogelstimmen-Apps.
In der freien Natur sollte man diese Möglichkeiten aber nicht oder nur eingeschränkt einsetzten. Die Vögel könnten sich angesprochen fühlen und ihr Revier verlassen. Ich habe auf eine ähnliche Weise, mit einem Katzen-YouTube Clip, meine Katze aus Versehen einmal so erschreckt, dass sie, trotz Bettelns und Lekkerlies, mehrere Stunden nicht mehr unter dem Sofa hervorkam.
Wieder zurück zu den Vögeln! Auch unter Vögeln gibt es regionale Dialekte. Ein Münchener Gimpel singt anders, als der Bochumer Gimpel. Eine Amsel erkennt man zwar relativ einfach am Gesang, aber trotzdem haben Forscher herausgefunden, dass sie in 200 Varianten singen kann. Schon in Vorfreude auf die Fußball-WM ruft der Buntspecht „Kick“. Es gibt sogar ein Buch „Vogelstimmen nach Volksversen“ von Klaus Phillip in dem der Gesang der Vögel mit Versen verglichen wird. Der Buchfink singt: „Bin, bin ich nicht ein schöner Bräutigam?“ Die Melodie seines Gesangs klingt wirklich so. Meine Augen sind langsam beleidigt, weil ich mich nur noch auf meine Ohren konzentriere. Es ist wirklich seltsam, dass man sich selten länger so stark auf sein Gehör konzentriert, wie auf der heutigen Vogelwanderung.
Wir kommen auf die Zugvögel zu sprechen. Ein Teilnehmer bemerkt, dass er so viele Vögel zwitschern hört, dass man ja wohl kaum von rückläufigen Zahlen von Vogelarten sprechen könnte. Wenige Tage zuvor hatte ein Vogelschwarm den Essener Hauptbahnhof lahm gelegt. Tatsächlich ist es aber so, dass man diesen Eindruck nur bekommt, wenn die Vogelschwärme noch ziehen, weil größere Mengen zusammenkommen. Die Anzahl der Vögel, die aber tatsächlich brüten und ihre Jungen hier aufziehen, gehen immer weiter zurück.
Die Faktoren dafür sind so unterschiedlich, wie zahlreich. Wer einen Steingärten und betonierte Hinterhöfe schön findet, bietet Vögeln keine Brut- und Versteckmöglichkeiten und muss aus diesem Grund auf sie verzichten. Der Urbanisierung fallen immer mehr Wald- und Wiesenflächen zum Opfer, es fehlen Nahrungsquellen, Schwalbennester machen zuviel Schmutz und Bodenbrüter werden mit dem Getreide abgemäht.
Das Gute ist, dass jeder einzelne etwas für die Vögel tun kann. Hier ein paar Anregungen:
• Man kann sich umfassend informieren bspw. mit dem NABU Grundsatzprogramm zum Vogelschutz unter:
http://www.nabu.de/imperia/md/content/nabude/vogelschutz/nabu-grundsatzprogramm-vogelschutz.pdf .
• Man kann Vogelwanderungen mitmachen. Infos gibt es auf den regionalen NABU Internetseiten oder bei den Biologischen Stationen.
• Oder am besten: Man kann den Garten oder das Grundstuck so gestalten, das dort viele Vogelarten gerne bleiben.
Wir nähern uns dem Ende dieser Veranstaltung. Alle Teilnehmer/-innen sind schwer begeistert. Zum Abschluss erklärt sich Frau Brandt zu einem kleinen Interview bereit. Das Interview folgt hier in Kürze. Mir bleibt an dieser Stelle nur zu sagen, dass ich die Führungen des NABU-Ruhr und des Ruhr Museums wärmstens weiterempfehlen kann und dass ich ab heute versuche, alles für den Vogelschutz zu tun.