Erfahrungsaustausch zum Thema „Hate Speech“ im Grimme-Institut

Am 2. September 2015 trafen sich im Marler Grimme-Institut Social-Media-Manager(innen), Journalist(inn)en und Pädagog(inn)en zum gemeinsamen Erfahrungsaustausch über „Hate Speech“, die Problematik von diskriminierender und menschenverachtender Hassrede im Internet. Der so genannte „Round Table“ fand im Rahmen des EU-Projekt BRICkS „Building Respect on the Internet by Combating Hate Speech“ statt, das sich für die Sensibilisierung von jungen Menschen für das Thema Hate Speech einsetzt. Gemeinsam wurde über die Problematik und mögliche pädagogische Präventionsansätze diskutiert.

Der Round Table zum Thema "Hate Speech" im Grimme-Institut

Der Round Table zum Thema „Hate Speech“ im Grimme-Institut


Herausforderung Hate Speech
„Als wir im November mit diesem Projekt angefangen haben, hätten wir nie gedacht, dass wir so ein aktuelles Thema haben“, begrüßte Aycha Riffi, Leiterin des EU-Projekts BRICkS im Grimme-Institut die Gäste des Round Table zu „Hate Speech“. Besonders die aktuellen Debatten um die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland, die in den Kommentarspalten zu Beiträgen klassischer Medien und in sozialen Netzwerken teils mit menschenverachtendem Ton geführt werden, machen die Brisanz des Themas „Hassrede im Internet“ deutlich. Als Auftakt der Diskussion in der Gesprächsrunde diente ein Video des Litauischen Zentrums für Menschenrechte, das zeigt wie verletzend Hate Speech nicht nur für direkt Betroffene ist.

In ihrer Arbeit täglich mit der Problematik konfrontiert, sind viele der Gesprächsteilnehmer(innen). Aude Gensbittel, die bei der Deutschen Welle als Journalistin für den Bereich frankophones Afrika zuständig ist, berichtete zum Beispiel, dass in ihrer Redaktion genau überlegt wird, welche Berichte überhaupt auf Facebook gespiegelt werden, um zu verhindern, dass Diskussionen – z.B. über das Thema Homosexualität – ins Menschenfeindliche ausarten. In Diskussionen in geschlossenen Facebook-Gruppen, konnte Pascal Hesse vom Deutschen Journalisten-Verband beobachten, wie sich Leute erst gegenseitig in ihren radikalen Meinungen bestätigen und sich dann gezielt in öffentliche Diskussionen einschalten. Stephan Rathgeber, der auf den Webseiten der Lokalzeitungen des Medienhaus Bauer die Nutzerkommentare betreut, brachte konkrete Beispiele mit für Anfeindungen gegen bestimmte Personen, Personengruppen und Medienvertreter selbst. Die größte Herausforderung sieht er dabei nicht im Umgang mit strafrechtlich relevanten Kommentaren, sondern im Abwägen bei Fällen, die eine Diskussion zum Kippen bringen können. „Das ist eine ganz neue Aufgabe für Journalisten“, fasste Rathgeber den Blick seines Berufsstandes auf das Thema Hate Speech zusammen.

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Das Projekt „BRICkS“
Mit der Problematik zu tun haben aber auch Menschen, die sich nicht professionell im Internet äußern. Die 17-Jährige Abiturientin Naina aus Köln, die für ihren kritischen Tweet zu Lerninhalten in der Schule einen Shitstorm erntete, zog sich daraufhin z.B. aus dem sozialen Medium Twitter zurück. Dieser Fall, von dem Aycha Riffi den Teilnehmer(inne)n des Round Tables berichtete, zeigt, warum es wichtig ist, dieses Thema auch in Schulen zu bringen. Der Transfer von den Erfahrungen professioneller Medienmacher in ganz Europa hinein in die Lebenswelt von Jugendlichen ist Ziel des EU-Projekts BRICkS „Building Respect on the Internet by Combating Hate Speech“.

In der ersten Projektphase untersuchte das BRICkS-Team am Grimme-Institut die Auslöser und Dynamiken von Hassdebatten anhand der Diskussionen zum Gedenken an Auschwitz, Reaktionen auf den Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo oder der Beschimpfungen auf der Facebook-Seite der Schauspielerin Sila Sahin. Außerdem wurden Interviews mit Community-Managern geführt, um zu dokumentieren, wie z.B. bei großen Zeitungen mit Hasskommentaren umgegangen wird. Martin Hoffmann von welt.de antwortete im Interview etwa: „Unsere Social-Media-Redakteure verstehen sich nicht als Moderatoren, sondern als selbstbewusste Diskussionsteilnehmer.“ In einem gemeinsamen Workshop in Brüssel wurden die Ergebnisse aus den beteiligten Ländern Belgien, Italien, Tschechien, Spanien und Deutschland dann zusammen getragen und erste Empfehlungen für den Umgang mit Hate Speech entwickelt. Darunter sind z.B. die Hinweise „Fördern Sie engagiertes User-Verhalten“ und „Etablieren Sie eine gute Beziehung zu Ihrer Community“.

Die Teilnehmer(innen) des Round Tables diskutierten diese Leitlinien und machten dabei auf den Unterschied zwischen Communitys auf „eigenen“ Seiten von Medienunternehmen und den Debatten im Social Web aufmerksam. Gezielt eine Diskussionskultur auf einer fremden Seite wie Facebook zu pflegen, fällt schwerer als in hauseigenen Kommentarspalten. Marie Huchthausen von der Business Academy Ruhr teilte mit den Teilnehmer(inne)n einen Rat aus ihren Kursen für Community-Manager. Sie empfiehlt, im Vorfeld eine Kommunikationsstrategie für Social Media zu entwerfen, die einen Umgang mit negativen Kommentaren einplant, der den eigenen Zeitressourcen und dem Stil des gesamten Webauftritts entspricht. Eine wissenschaftliche Einrichtung, zum Beispiel, könne negativer Kritik gut mit wissenschaftlichen Argumenten begegnen, während ein Satireangebot auch frech antworten dürfe. Auch bieten die Plattformen unterschiedliche Moderationstools. Auf Facebook lassen sich z.B. Kommentare verschieben oder auszublenden, um die Diskussion in eine positivere Bahn zu lenken.

Dr. Marie Huchthausen, Trainerin an der Business-Academy-Ruhr

Dr. Marie Huchthausen, Trainerin an der Business-Academy-Ruhr

Jugendliche Diskussionskulturen
Mit Blick auf die Übertragung dieser Ergebnisse in den Bereich der Schule und Jugendarbeit wurde in der Diskussion auch deutlich, dass Jugendliche online anders diskutieren als Erwachsene. Audiovisuelle statt schriftliche Kommunikation, wie sie z.B. durch den Live-Streaming-Dienst Periscope möglich ist, schafft andere mediale Bedingungen, auch für die Hassrede. Die Wichtigkeit von Youtube in der Jugendkultur unterstützt diese Abkehr von schriftlichen Kommentaren. Auch waren sich die Teilnehmer(innen) einig, dass Jugendliche ein „dickeres Fell“ für Online-Beleidigungen besitzen als Erwachsene. Wenn aber, wie Marie Huchthausen berichtete, schon im Grundschulalter Drohungen im Netz kursieren, wird es umso wichtiger Erziehungsarbeit hin zu einer respektvollen Kommunikationskultur zu leisten. Die Medienprofis, die am Round Table teilnahmen, unterstützten damit das Vorhaben des Projekts als Präventionsarbeit gegen „Trolle von morgen“.

In den Workshops mit Jugendlichen im Rahmen des BRICkS-Projekts soll deswegen vor allem auf Konsequenzen des eigenen Online-Handelns aufmerksam gemacht werden. Guido Kowalski, der gemeinsam mit Aycha Riffi das Projekt betreut, stellte den Gästen ein erstes Konzept für solche Workshops vor. In einer Mischung aus Medientraining und inhaltlichem Input ist geplant, Jugendliche eigene Geschichten zum Thema Hassrede entwickeln zu lassen, die online veröffentlicht werden. Dadurch, dass diese Geschichten einer Baumstruktur mit verschiedenen Möglichkeiten folgen, lassen sie sich später wie Computerspiele erfahren und machen deutlich, dass jede Aktion auch Reaktionen hervorruft. Das Workshopkonzept sowie die Abgrenzung zwischen „Cybermobbing“ und „Hate Speech“ wurden am Nachmittag noch intensiver mit Pädagog(inn)en diskutiert. Während es sich bei Cybermobbing in der Regel um die gezielte Diffamierung einer einzelnen Person handelt über Digitalmedien handelt, richtet sich Hate Speech eher gegen Personengruppen. Hate Speech ist vor allem „ein politischer Begriff mit mehr oder weniger starken Bezügen zu juristischen Tatbeständen. In Deutschland ist der juristische Bezugspunkt der Tatbestand der Volksverhetzung“, erklärt die Amadeu Antonio Stiftung in ihrer Publikation „geh sterben! Umgang mit Hasskommentaren im Internet“.

Das Feedback aus dem Round Table Event fließt in die weitere Entwicklung des Workshopkonzepts ein. Im Herbst 2015 werden dann von BRICkS Fortbildungen durchgeführt, auf denen Interessierte sich als Trainer(innen) für diese Workshops qualifizieren können, um danach mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Hassrede zu arbeiten.

Ebenfalls vom Round Table berichten das Blog des Grimme Online Awards Erschreckend aktuell: “Hate Speech” und Marie Huchthausen auf der Website der Business-Academy Ruhr: Round Table zu „Hatespeech“ am Grimme-Institut.

Weitere Informationen zum Projekt BRICkS finden sich auf der Website des Grimme-Instituts und unter www.bricks-project.eu. Mehr Informationen zu „Hate Speech“ bietet das Themenspecial „Nachhaltige Kommentar-Kultur im Internet – Zusammen gegen Hate Speech“ von NRW denkt nach(haltig).

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2 Antworten zu “Erfahrungsaustausch zum Thema „Hate Speech“ im Grimme-Institut”

  1. Erschreckend aktuell: “Hate Speech” » quergewebt sagt:

    […] Siehe hierzu auch den Blogbeitrag im Projekt “NRW denkt nach(haltig)!”: Erfahrungsaustausch zum Thema „Hate Speech“ im Gr… […]

  2. NRW denkt nach(haltig) - Projekt-Blog» Blogarchiv » „Wer sich in soziale Netzwerke begibt, muss sich auch darauf einlassen und gegebenenfalls Rede und Antwort stehen.“ Ulrich Lota im Interview über die Facebook-Aktion #Willkommen des Bist sagt:

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