Nachhaltigkeit ein Gesicht geben – Workshop-Bericht zum Thema „Digital Storytelling“

Vom 27.07.2012 bis zum 30.07.2012 fand im Düsseldorfer Günnewig Hotel unser Workshop zum Thema „Digital Storytelling“ statt, von dem wir an dieser Stelle in vier Teilen berichten möchten.

Freitag, 27.07

Am vermutlich heißesten Tag des ganzen Jahres fällt in Düsseldorf der Startschuss für den Workshop von NRW denkt nach(haltig) zum Thema „Digital Storytelling“. Die Gruppe der TeilnehmerInnen, die sich nach und nach im Günnewig Hotel einfinden, ist bunt gemischt und versammelt so unterschiedliche Institutionen wie das NaturGut Ophoven, CreNatur, die Deutsche Welle Akademie, die Landeszentrale für politische Bildung, das Allerweltskino sowie die Agenturen Fields und Bohnen Kallmorgen & Partner. Und doch verfolgen alle am heutigen und in den folgenden Tagen ein und dasselbe Ziel: Sie sind zusammengekommen, um persönliche Geschichten zum Thema Nachhaltigkeit zu erzählen und so neue Wege in der Umweltkommunikation zu gehen. Denn gerade das abstrakte und mitunter auch sperrige Thema Nachhaltigkeit lässt sich durch digitale Geschichten in die Alltags- und Lebenswelt einer Vielzahl von Menschen transportieren – möglicherweise auch solcher, die sich eigentlich nicht für grüne Belange interessieren. Dies zumindest ist die Ausgangsthese, die es im Verlauf des viertägigen Workshops zu beweisen gilt.

Nach einer kurzen sozialen Auflockerungsübung steigt Trainer Steve Bellis vom Yale College in Wrexham deshalb ein in die Geschichte und Theorie des „Digital Storytelling“: Wie so vieles stammt die Idee ursprünglich aus Amerika und fußt auf der Überzeugung, dass in jedem Menschen mitreißende, interessante, tief- oder ergreifende Geschichten schlummern, von denen die angehenden Erzähler selbst jedoch meist nur wenig ahnen. Die Aufgabe professioneller Storytelling-Veranstaltungen besteht eben darin, dieses verborgene oder auch verschüttete Geschichtenpotential (wieder) ans Tageslicht zu befördern und dem umgangssprachlichen „kleinen Mann“ so eine Stimme zu verleihen.

Zu den Urvätern dieser Idee zählen Dana Atchley und Daniel Meadows. Atchley performte in den USA mit einer eigenen Theatershow, in der er unter dem Titel „Next Exit“  Lager-feuergeschichten erzählte –  in digitalisierter Form allerdings.  Meadows war begeistert von Atchleys Ansatz, und das sogar so sehr, dass er die Idee kurzerhand in sein Heimatland Großbritannien importierte. Unter der Ägide von Meadows wurde aus der bis dahin eher formlosen Kunst des digitalen Geschichtenerzählens ein fest umrissenes Regelwerk, eine Methode. Am Ende dieser Bemühungen stand u.a. „Capture Wales“, ein Pionierprojekt der BBC zum Thema „Digital Storytelling“. Dieses Erbe verwaltet auch Steve Bellis in seiner Arbeit am Yale College und neuerdings in seiner eigenen Firma „StoryPoint“.

Da Praxis mitunter die bessere Theorie ist, unterlegt Bellis seine Ausführungen mit einer Vielzahl von digitalen Geschichten, die vor allem eines verdeutlichten: Je persönlicher, desto besser. Persönliche Anteilnahme, das zeigt sich in den zahlreichen Beispielen, ist der Schlüssel zu einer guten (digitalen) Geschichte. Dies setzt jedoch nicht zwangsläufig hochemotionale oder -intime Erzählungen voraus, viel mehr geht es um eine persönliche Perspektive auf das Erzählte, eine wie auch immer geartete Verbindung zur eigenen Person, die Bellis mit dem Begriff „authentic media“ umschreibt.

Für eine solche Perspektive bieten sich bestimmte Motive besonders an, wie Bellis im Folgenden zeigt: Entscheidende Momente im eigenen Leben, Wendepunkte, die Geschichte einer Veränderung (die schon geschehen ist oder erst noch geschehen soll), persönliche Leidenschaften oder Entwicklungswege, Widmungen an geliebte Personen oder Dinge oder Geschichten darüber, wie man wurde, wer man ist. Es geht also um Authentizität, Ehrlichkeit, Engagement, Partizipation und um die Individualität einer jeden Erzählerfigur.

Besonders in der Nachhaltigkeitskommunikation eröffnen sich neue Wege, wenn man die oben genannten Werte an die Stelle der ewig gleichen, oft blutleeren Appelle, Verbote oder pädagogischen Belehrungen setzt. Was dann entstehen kann, zeigt das Beispiel von Heather, einer britischen Farmerin, die sich für „Project Aspects“ ganz eigene Gedanken zum Thema Umwelt macht:

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Nach der Mittagspause geht es dann direkt in den „Story Circle“, durch den die TeilnehmerInnen lernen sollen, sowohl einander als auch ihrem eigenen Erzähltalent zu vertrauen. Die Nähe dieses Erzählkreises zu gewissen therapeutischen oder didaktischen Methoden ist unübersehbar, geht es doch auch hier ums Ent- und Aufdecken von Dingen, von denen man mitunter selbst nicht wusste, dass sie da sind.

Zu diesem Zweck arbeitet Bellis mit unterschiedlichen Spielen, die Kreativität und Selbstvertrauen fördern sollen. Diese reichen vom „Nonsense Word Game“ über ein Spiel mit dem Titel „Make Up Your Mind“ bis hin zum „Match Game“, das allseits für Erheiterung sorgt: Bei diesem Spiel müssen die TeilnehmerInnen eine Geschichte erzählen, die die Brenndauer eines – zugegebenermaßen großen – Streichholzes nicht überschreiten darf. Im Zentrum des „Story Circles“ steht jedoch eine andere Übung: Im Vorfeld des Workshops wurden alle TeilnehmerInnen darum gebeten, einen persönlichen Gegenstand mitzubringen, dessen Geschichte es nun zu erzählen gilt. Nach und nach füllen sich die mitgebrachten Bilder und Gegenstände mit Leben, sodass die Grundannahmen des „Digital Storytelling“ sich auch in dieser Runde bestätigen: Jede/-r TeilnehmerIn hat mindestens (!) eine wirklich gute Geschichte zu erzählen, die umso besser ist, je persönlicher sie vorgetragen wird.

Dennoch tun sich einige Teilnehmer gerade an diesem Punkt schwer, insbesondere, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit geht. Denn schließlich handelt es sich um (ge-)wichtige und ernste Themen, bei denen so etwas wie persönliche Betroffenheit doch eigentlich völlig fehl am Platze ist. Vielleicht ist aber auch gerade das die zündende Idee, statt der üblichen Daten, Zahlen und Fakten die persönliche Ansprache zu nutzen, um (neue) Zielgruppen zu erreichen und zu aktivieren. In eben dieser Spannung liegt denn auch das Faszinationspotential der nächsten Tage, die sich im Kern um eine ziemlich alte Frage drehen: Wie ist es möglich, Teil und Ganzes, Besonderes und Allgemeines, Individuelles und Universelles zu verbinden?

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