„Für das Prinzip Produktinformationen per App schneller und transparenter zu vermitteln, gibt es noch viele weitere Anwendungsgebiete.“ Tobias Müller-Dechent, Mitgründer des Start-Ups FoodLoop, im Interview über das Potenzial für Apps im Nachhaltigkeitsbereich

Im März 2015 startete die Smartphone-App „FoodLoop – Save it all“ ihren Testbetrieb. Mit ihr kann der Handel Verbraucher(innen) gezielt auf Lebensmittel aufmerksam machen, die sich ihrem Mindesthaltbarkeitsdatum nähern und diese vergünstigt anbieten. Davon haben alle etwas, denn beide Seiten sparen nicht nur Geld, sondern Lebensmittelabfälle werden vermieden und damit wichtige Ressourcen geschont. Im Gespräch mit NRW denkt nach(haltig) erzählt Tobias Müller-Dechent, Mitgründer des Start-Ups hinter FoodLoop, wie aus der Idee eine App wurde, wo weitere Potenziale für Nachhaltigkeits-Apps liegen und wie die Zukunft von FoodLoop im Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung aussieht.

Tobias Müller-Dechent, Mitgründer des Start-Ups "FoodLoop" (c) Tobias Müller-Dechent

Tobias Müller-Dechent, Mitgründer des Start-Ups „FoodLoop“
(c) Tobias Müller-Dechent

Vor etwa einem Jahr haben Sie die FoodLoop GmbH gegründet, vor wenigen Wochen begann der Testbetrieb der App. Welche Schritte lagen zwischen Ihrer Idee und dem Launch der App?
Wir haben aus dem Studium heraus angefangen. Mein Bruder Christoph hat in einem Seminar das Geschäftsmodell entworfen. Darauf hin haben wir an Ideen- und Gründerwettbewerben  teilgenommen und Feedback von Experten bekommen. Damit sind ja auch immer Preisgelder verbunden, um die Idee tatsächlich umsetzen zu können. Dann kam die FIWARE Smart Business & Industry Challenge in Brasilien, die von der Europäischen Kommission finanziert ist, bei der wir ein Preisgeld von 75.000 Euro bekommen haben. Wir haben uns auch für das EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie beworben. Damit bekam unser Gründerteam ein Jahr lang Gehälter und wir konnten Sachausgaben finanzieren. Im März ist diese Förderung ausgelaufen, aber sie hat uns ermöglicht, die nötigen technischen Anschaffungen zu machen und uns im Rahmen von Schulungen das nötige Know-How anzueignen und natürlich die App zu entwickeln.

Daneben haben wir in dieser Phase auch Kontakt zu den verschiedenen Stakeholdern aufgenommen, die für unser Projekt wichtig sind. Zum Beispiel funktioniert unsere App auch mit dem Barcode-Standard von GS1, der mehr Informationen als der gewöhnliche Strichcode speichern kann. Da mussten wir natürlich erst einmal die grundsätzliche Umsetzbarkeit unserer Idee abklären.

FoodLoop ist eine Einkaufshilfe, die aktuelle Daten liefert und die Verbraucher(innen) immer in der Hosentasche dabei haben können. Welche weiteren Merkmale neben Aktualität und Tragbarkeit machen Apps für Nutzer(innen) noch attraktiv?

Die FoodLoop-App in Aktion (c) FoodLoop GmbH

Die FoodLoop-App in Aktion
(c) FoodLoop GmbH

Ein Stichwort ist die Personalisierung. Es geht nicht darum, dass wahllos Daten präsentiert werden, sondern sie sollen auch auf den Nutzer zugeschnitten sein. Wenn ich z.B. Vegetarier bin, will ich natürlich, dass ich auch nur Angebote von fleischlosen Produkten kriege. Die einfache Nutzbarkeit ist natürlich immer ein entscheidender Punkt. Wenn die App nicht den Mehrwert bringt, den ich erwarte bleibt es häufig bei der einmaligen Nutzung und die App wird wieder gelöscht.

Welche Erweiterungen für FoodLoop jenseits ihres Rabattsystems sind derzeit geplant?
Hier ist viel geplant und in Arbeit: Wenn z.B. Bananen und Milch im Angebot sind, wollen wir über die App auch die passende Rezeptempfehlung für leckere Milchshakes liefern. Zusätzlich wollen wir einen Einkaufsplaner einbauen und arbeiten an einer Erinnerungsfunktion. Damit wollen wir erreichen, dass die Kunden das Essen in ihrem Kühlschrank nicht dort vergessen. Sonst hätten wir das Problem ja einfach vom Supermarkt zum Verbraucher verlagert. Außerdem arbeiten wir noch an einer Spendenfunktion. Das kann man sich so ähnlich wie Payback vorstellen. Man kann für seinen Einkauf mit Hilfe der App Punkte sammeln und den Gegenwert dann an Wohltätigkeitsaktionen spenden. Damit wollen wir dann regionalen Organisationen Geld zu kommen lassen, damit wir Institutionen wie den Tafeln nicht einfach die Ressourcen abgraben.

Wo sehen Sie weitere Potenziale per App zu mehr Nachhaltigkeit zu kommen?
Allgemein ist unser Ansatz nicht nur im Lebensmittelhandel interessant. Ein gutes Beispiel ist etwa die Reifenindustrie. Gummi hat auch nur eine begrenzte Lebensdauer und die Industrie hat Probleme die Kette von Herstellung bis Handel gut zu organisieren. Hier kann man die Kommunikation verbessern und transparenter machen. Vielleicht ist das aber auch nicht immer gewollt.

Für das Prinzip Produktinformationen per App schneller und transparenter zu vermitteln, gibt es noch viele weitere Anwendungsgebiete. Wir selbst konzentrieren uns stark auf den Einzelhandel. Im Ausland gibt es aber auch Beispiele aus dem Gastro- und Großhandelsbereich. So können z.B. Landwirte Produktionsüberschüsse kommunizieren oder Gaststätten kurz vor Geschäftsschluss ihr Überangebot weiter geben. Man kennt das ja von den Bäckern, die Brot kurz vor Ladenschluss billiger anbieten, um es nicht weg werfen zu müssen. Internetplattformen wie food-sharing richten sich mit dem Prinzip an Privatverbraucher. Solche Initiativen sind hilfreich, um Angebot und Nachfrage besser und direkter zu verbinden.

Welche Erfahrungen haben Sie mit FoodLoop seit dem Launch gemacht?
Insgesamt haben wir sehr positives Feedback von Supermarktmitarbeitern und Nutzern erhalten. Aber es sind auch viele Optimierungsmöglichkeiten zu Tage gekommen. Wir arbeiten aktuell noch ohne den GS1-Barcode. Das heißt, die Mitarbeiter des Supermarktes müssen Mindesthaltbarkeitsdatum und Preis noch von Hand in das System eintragen. Dieser Arbeitsaufwand ist größer als erwartet und wir müssen Abläufe verbessern. Gleichzeitig zeigt diese Erfahrung den Mehrwert des Barcodes. So ist unser Testsupermarkt jetzt auch in Gesprächen in Zukunft diesen neuen Standard zu verwenden. Bald arbeiten wir mit einer Supermarktkette in Spanien zusammen, die diesen Barcode bereits benutzt. Mit dem Barcode lässt sich z.B. auch nachverfolgen, wo das Produkt produziert, verarbeitet oder abgepackt wurde und man kann viele weitere Informationen darauf speichern, die dann für die Nutzer der App sichtbar werden.

Wenn sich die Mehrwerte noch deutlicher heraus stellen, ist es eine Frage der Zeit bis sich der Barcode bald überall verbreitet. Aber das ist stark von der Bereitschaft der Handelsketten abhängig, denn schließlich ist die Frage: Wie transparent will die Industrie sein? Man kann die aktuelle Situation mit der Debatte um die Nährwertampel vergleichen. Aber wir sind zuversichtlich, dass sich der Standard bald durchsetzt und wir damit auch flächendeckend unser System anbieten können.

Was ist Ihre Strategie, um die App noch bekannter zu machen und welche Kommunikationskanäle haben sich dafür bewährt?
Aufgrund unseres knappen Budgets fokussieren wir uns auf vor allem die kostenlosen Kanäle wie Facebook und machen auf Konsumentenebene dort sowie auf unserer Website auf FoodLoop aufmerksam. Aber auch hier waren die Gründerwettbewerbe sehr hilfreich. Zum Beispiel hatten wir das „Social Impact Start“ Stipendium von SAP. Wenn so ein großer Name dahinter steht, erhält man noch mal eine andere Aufmerksamkeit und Reichweite. Ein besonderer Erfolg war auch der europaweite Sozialunternehmerwettbewerb von Ben and Jerry’s „Join our Core“.  Zwei Start-Ups aus jedem Land wurden zum Finale in London eingeladen. Es gab nicht nur ein Preisgeld, sondern  das Logo der Gewinner wurde auch auf der Eispackung von Ben and Jerry’s aufgedruckt. Dadurch ist unser Projekt natürlich noch ein bisschen bekannter geworden, auch wenn wir jetzt noch ganz am Anfang stehen.

Die App FoodLoop kann über die Seite www.foodloop.net für Android- und iOS-Geräte herunter geladen werden. Weitere Details zur App FoodLoop und ihren Potenzialen, liefert der Beitrag von Tobias Müller-Dechent im Handbuch „Medien und Nachhaltigkeit“. Mehr Informationen zum Thema Lebensmittelverschwendung bietet NRW denkt nach(haltig) im Themenspecial „Lebensmittelverschwendung und Abfallvermeidung“. FoodLoop und weitere Apps, die Nachhaltigkeit auf das Smartphone bringen, stellt das Themenspecial „Nachhaltige Apps“ vor.

 

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